Frau Slomka und die Macht der Politik

Berlin · Marietta Slomkas Interview mit Sigmar Gabriel war eine journalistische Fehlleistung, sogar eine Grenzüberschreitung. Geradezu impertinent beharrte Slomka darauf, dass der SPD-Mitgliederentscheid rechtlich bedenklich sei, und berief sich auf „Verfassungsrechtler“, im Plural, obwohl bisher nur ein einziger diese Meinung geäußert hat.

Gabriel antwortete mehrfach ruhig und sachlich, ehe auch er unsachlich wurde. Das Interview eskalierte, weil sich die ZDF-Frau die seltsame These offenbar zu Eigen gemacht hatte. Ein Fall also für die interne Nachbesprechung. Und völlig untauglich, um eine Debatte über das Verhältnis von Politik und Journalismus zu entfachen.

Dann aber schaltete sich Horst Seehofer (CSU) ein, mit öffentlicher Kritik an Slomka und einem Brief an Intendant Thomas Bellut. Der konterte, lobte die Moderatorin und verwahrte sich gegen Einflussnahme aus der Politik. Womit nun doch noch eine gewinnbringende Diskussion entsteht: Es geht um die Kontrolle der Parteien über öffentlich-rechtliche Medien, ganz besonders im ZDF.

Seehofer wird womöglich sagen, er dürfe als Bürger seine Meinung sagen. Das darf er. Das Problem ist, dass er zugleich Macht über Slomka und alle anderen ZDF-Journalisten hat, inklusive Intendant und Chefredakteur. Zu viel Macht. Bayerns Regierungschef gehört dem Verwaltungsrat des Senders an, der bei wichtigen Posten entscheidet, wer dort was wird. Vor drei Jahren schasste die Unionsmehrheit in dem Gremium Chefredakteur Nikolaus Brender. Und im 77-köpfigen Fernsehrat sitzen mehr als 40 Prozent direkte Parteienvertreter, darunter die CSU-Scharfmacher Markus Söder und Alexander Dobrindt. Weitere Fernsehräte ordnen sich Parteien zu, ohne von ihnen benannt zu sein. Man trifft sich in "Freundeskreisen", rot oder schwarz, zu Vorbesprechungen.

Seehofers Verhalten ist nicht neu. Erst vor gut einem Jahr musste sein Sprecher zurücktreten, der per Telefon einen ZDF-Bericht verhindern wollte. Offenbar meint die CSU, "das Zweite" gehöre zu ihrem Revier. Ein Politiker, der selbst dem Verwaltungsrat des Senders vorsteht, findet die Situation inzwischen unerträglich: Kurt Beck (SPD) hat dafür gesorgt, dass Rheinland-Pfalz - unterstützt von Hamburg - eine Verfassungsklage einreichte. Die Causa Slomka lenkt die Aufmerksamkeit erneut auf das Ziel der Kläger. Sie wollen eine Reform der Gremien. Dafür dürften die Chancen nun steigen, denn das Gericht zeigte sich schon bei der Verhandlung Anfang November empfänglich für ihre Argumente.

Zwar wird es bei einer Länderanstalt dabei bleiben müssen, dass jedes Land ein Mitglied im Fernsehrat stellt. Doch die Entsendung von zwölf weiteren reinen Parteivertretern gehört abgeschafft. Stattdessen muss die Liste der gesellschaftlichen Gruppen erweitert werden, unter anderem um Muslime. Auf die Auswahl dieser Vertreter dürfen die Landesregierungen keinen Einfluss mehr haben. Ebenso ist es im 14-köpfigen Verwaltungsrat, wo die Zahl der Regierungsvertreter von sechs auf drei halbiert werden sollte.

Frei von Parteien würde das ZDF damit nicht. Muss es auch nicht, denn Parteien sind ein Teil der Gesellschaft. Aber ihr Revier sind die Parlamente, nicht die Medien. Im Gegenteil: Medien müssen sie kritisch begleiten können. Wenn Seehofer seinen heutigen Einfluss nicht mehr hätte, er würde wohl kaum Briefe an den Intendanten schreiben. Es wäre sinnlos. Und Slomka, die sich nun als Opfer fühlt, müsste etwas mehr Sorgfalt und selbstkritische Distanz in ihre Interviews stecken.

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