Franzosen präsentieren Hollande die Rechnung

Paris · François Hollande hat ein Problem. Das Finale der Kommunalwahlen hat den Trend der Erstrunde nicht nur bestätigt, sondern wie mit einer Lupe verstärkt: Nun, da alle Stimmen ausgezählt sind, wird deutlich, dass für die regierenden Sozialisten das „worst-case“-Szenario eingetreten ist: Sie haben nicht nur 60 oder 90, sondern letzten Endes mehr als 150 Rathäuser an die oppositionellen Konservativen verloren, ein gutes Dutzend ging an den rechtsextremen Nationale Front (FN).



Das Ergebnis ist eine heftige Watschen für Hollande und zeigt klar, dass die Bürger, die ihn vor weniger als zwei Jahren noch enthusiastisch an die Spitze der Republik gewählt haben, von ihm inzwischen zutiefst enttäuscht sind. Der Präsident zahlt die Rechnung für 22 Monate verfehlter Politik: Zunächst wurden die Prioritäten nicht richtig gesetzt und dann unzureichend erklärt. Der Sozialist und seine Partei, die sich "vorbildlich" und "normal" geben wollten, haben sich überdies in Affären und Pannen bei der Regierungs-Kommunikation verstrickt. Heute zählt das Wort des Präsidenten nicht mehr. Das ist umso dramatischer, als Hollandes Spielraum jetzt extrem begrenzt ist: Von seinem erst im Januar mit großem Brimborium neu eingeschlagenen sozialdemokratischen Reform-Pfad kann und darf er nicht abweichen. Nicht nur, dass er sich sonst abermals einen Kurswechsel vorwerfen lassen müsste. Er hat auch gegenüber Brüssel und den EU-Partnern keine andere Wahl, als die Staatsausgaben in den Griff zu bekommen. Genau für diese Linie wird er von den Extremen von links bis rechts, aber auch im eigenen Lager angegriffen.

Die Regierungsumbildung, die Hollande gestern verkündete, wird das Blatt kaum grundsätzlich wenden. Auch wenn der neue Ministerpräsident, der bisherige Innenminister Manuel Valls, populär ist und für Härte in der Innen- und Reformen in der Wirtschaftspolitik steht. Der Präsident braucht vor allem gute Nachrichten an der Arbeitsplatzfront. Und da herrscht Flaute. Im Februar ist die Zahl der Arbeitslosen zur unpassenden Zeit abermals und spektakulär gestiegen. Schuld an der desaströsen Lage des Landes ist freilich nicht nur die jetzige Regierung: Auch die vorige Mannschaft unter dem Konservativen Nicolas Sarkozy hat Reformen trotz gegenteiliger Zusagen verschlafen. Dass es beide etablierten Parteien nicht geschafft haben, Frankreich aus der Krise zu führen, führt bei den Bürgern unweigerlich zu Vertrauensverlust.

Wenn, wie bei dieser Abstimmung, fast 40 Prozent der Wähler bei einer Bürgermeisterwahl zu Hause bleiben, dann zeigt das eine starke Form von allgemeiner Politikverdrossenheit, die alarmierend ist. Dass radikale Parteien wie der FN auf diesem Nährboden gedeihen, braucht unter diesen Umständen niemanden mehr zu verwundern.

Rund 15 Rathäuser haben die französischen Rechtsextremen erobert - bei 37 000 Städten und Gemeinden im Land. Dafür, dass der FN nur in 600 Kommunen überhaupt angetreten war, ist das Ergebnis aber beachtlich - zumal sich die Partei in mehr als der Hälfte für den zweiten Durchgang qualifizierte, mit teils zweistelligen Ergebnissen. Für die Europawahl lässt dies nichts Gutes ahnen: Dann könnte die Le-Pen-Truppe, die heftigst gegen Brüssel, ein neues Rekordergebnis einfahren. Es stimmt: Hollande hat ein Problem.

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