Franzosen geraten ins Visier der IS – auch zu Hause

Paris · Im blau-gelben Sweatshirt, mit dem Fotoapparat um den Hals, sitzt Hervé Gourdel auf dem Boden zwischen zwei schwarz maskierten Kämpfern mit Kalaschnikows. "Ich flehe Sie an, Herr Präsident: Tun Sie alles, was in ihrer Macht steht, um mich aus diesem Unglück zu befreien", sagt der 55-jährige Franzose mit zitternder Stimme auf dem Video, das am Montagabend veröffentlicht wurde.

Er spricht zu Staatschef François Hollande , an den Gourdels Entführer eine Forderung haben: Frankreich soll seine Luftangriffe auf Stellungen der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) im Irak beenden.

Denn die Geiselnehmer, die den Familienvater am Sonntag beim Wandern in der algerischen Kabylei entführten, unterstützen die Kämpfer des IS. Und die haben in Europa vor allem die Franzosen im Visier, da Frankreich als einziges Land der Europäischen Union Luftangriffe gegen den IS im Irak fliegt.

"Wenn ihr einen amerikanischen oder europäischen Ungläubigen töten könnt - vor allem die bösen und dreckigen Franzosen -, zählt auf Allah und tötet ihn, auf egal welche Weise", forderte IS-Sprecher Abu Mohammed al-Adnani seine Gefolgsleute in einer Audiobotschaft auf. Die Entführer von Gourdel gaben Hollande am Montagabend 24 Stunden Zeit, um ihre Forderung zu erfüllen. "Oder dem Landsmann Hervé Gourdel wird die Kehle durchgeschnitten."

Wie brutal der IS mit seinen Geiseln umgeht, hatte die Enthauptung zweier US-Journalisten und eines britischen Entwicklungshelfers bewiesen. Für das französische Außenministerium zeigen die Drohungen dieser Terrorgruppe einmal mehr deren äußerste Grausamkeit.

Doch die Regierung will den Entführern der algerischen Gruppe Jund al-Khalifa nicht nachgeben. Außenminister Laurent Fabius hat die Losung ausgegeben, man müsse den Terroristen die Stirn bieten, sich nicht von ihnen beeinflussen lassen. Allerdings rief sein Ministerium die Franzosen in mehr als 30 Ländern, vor allem in Afrika und dem Nahen Osten, auch zu größter Vorsicht auf. Das Burka-Verbot und der der französische Einsatz gegen die Islamisten in Mali sind aus Experten-Sicht zwei Argumente, die Terroristen nutzen, um eine antifranzösische Stimmung zu schüren. Außerdem hatte sich Frankreich in Europa an die Spitze der neuen Koalition gegen IS gesetzt. Als erstes Land kündigte es im August Waffenlieferungen an die irakischen Kurden an. Vergangene Woche war es zudem Gastgeber einer internationalen Konferenz, bei der es um die Koordination des Kampfes gegen die Miliz ging.

Die Franzosen sind dadurch nicht nur im Ausland, sondern auch im eigenen Land gefährdet. Kämpfen doch rund tausend Franzosen an der Seite des IS im Irak und Syrien - mehr als aus jedem anderen europäischen Land. Auch der Todesschütze des jüdischen Museums in Brüssel, der Franzose Mehdi Nemmouche, soll Geiselwächter des IS in Syrien gewesen sein. Erst gestern nahm die Polizei am Pariser Flughafen Orly drei Rückkehrer aus Syrien fest. Die Männer sollen aus dem Umfeld des Attentäters von Toulouse, Mohammed Merah, stammen, der vor zwei Jahren drei Kinder und einen Lehrer vor einer jüdischen Schule sowie drei Soldaten getötet hatte. Zumindest einem der Festgenommenen bescheinigen Experten das Profil, einen Anschlag in Frankreich zu verüben.

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