Frankreichs Sozialisten stehen vor Linksruck

Paris · Die französischen Sozialisten stehen vor einem Linksruck. Der Linksaußen Benoît Hamon gewann ersten Teilergebnissen zufolge gestern die erste Runde der Vorwahlen mit rund 35 Prozent der Stimmen. Hamon verwies Ex-Regierungschef Manuel Valls mit gut 31 Prozent auf den zweiten Platz und geht damit als Favorit in die Stichwahl. Der frühere Bildungsminister hatte mit seinem Vorschlag eines Grundeinkommens den Wahlkampf dominiert. Allerdings konnte der 49-Jährige bis zum Schluss nicht sagen, wie er die Maßnahme finanzieren will, die rund 400 Milliarden Euro kosten soll.

Verlierer ist bereits jetzt Valls, denn im Gegensatz zu Hamon hat er kaum noch Stimmpotenzial, das er für zweite Runde am kommenden Sonntag mobilisieren kann. "Wenn er in der ersten Runde nicht vorne ist, ist das eine Niederlage", sagte sein Unterstützer, der Abgeordnete Malek Boutih, der Pariser Zeitung "Journal du Dimanche". Hamon kann dagegen auf die Anhänger des Drittplatzierten Arnaud Montebourg zählen.

Montebourg, der mit enttäuschenden 18 Prozent ausschied, gehört wie Hamon zum linken Parteiflügel und musste zusammen mit ihm im August 2014 die Regierung verlassen, weil er die Wirtschaftspolitik kritisiert hatte. Im Gegensatz zu Hamon, den die konservative Oppositionszeitung "Le Figaro" als "Kandidaten der Nach-Arbeits-Ära" kritisierte, trat Arnaud Montebourg für eine "Gesellschaft der Arbeit" ein. Dabei sollte allerdings der Staat kräftig nachhelfen, beispielsweise mit Aufträgen für die mittelständischen Unternehmen.

Mit der Entscheidung für Hamon dürfte die Regierungspartei, die unter Präsident François Hollande einen sozialdemokratischen Kurs eingeschlagen hatte, eine ähnliche Links-Wende nehmen wie die Labour-Partei in Großbritannien. Hollande hatte eine solche Entwicklung befürchtet. "Nachdem die Linke gerade dabei war, sich zu modernisieren, rudert sie nun zurück", zitierte die Zeitung "Le Monde " einen Vertrauten.

Der extrem unbeliebte Präsident Hollande hatte schon Anfang Dezember auf eine erneute Kandidatur für die Präsidentschaft verzichtet und kaum Interesse an den ursprünglich auf ihn zugeschnittenen Vorwahlen gezeigt, bei denen insgesamt sieben Kandidaten antraten. Nach seinem Ausscheiden galt Valls als natürlicher Favorit. Der Vorsprung des früheren Regierungschefs in den Meinungsumfragen schmolz allerdings in den vergangenen Wochen zusammen. Der 54-Jährige wurde für die magere Bilanz von Hollande verantwortlich gemacht und sogar zweimal körperlich angegriffen.

Doch egal wer die Vorwahlen gewinnt: der Sieger hat bei den Präsidentschaftswahlen im April und Mai kaum Chancen auf den Einzug in die Stichwahl. Umfragen sehen den sozialistischen Kandidaten auf dem fünften Platz, deutlich hinter der Rechtspopulistin Marine Le Pen vom Front National und dem Konservativen François Fillon .

Auf dem dritten Platz dürfte nach derzeitigen Berechnungen der frühere Wirtschaftsminister Emmanuel Macron landen, der bis August der Regierung Valls angehörte und dann als unabhängiger Kandidat ins Rennen um die Präsidentschaft ging. Mit einem Kandidaten vom linken Rand steigen seine Chancen, die Stimmen der sozialdemokratischen Wähler zu bekommen.

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