Frankreichs nackter König

Er gilt als berechenbar, gerade im Vergleich zu seinem sprunghaften Vorgänger Nicolas Sarkozy. Doch manchmal weiß auch François Hollande zu überraschen.

"Der Aufschwung ist da", behauptete der französische Präsident jüngst im Fernseh-Interview. Ein Eindruck, der bei den Franzosen noch nicht angekommen ist. Ihnen erscheint die Krise längst als Normal-Zustand - wirtschaftlich, politisch, moralisch. Hollande wird als Anhänger von Émile Coué verspottet, des Begründers der Autosuggestion: Stets positiv denkend redet er die Lage schön. Das mag bei ihm selbst wirken, aber nicht bei seinen Landsleuten. Die teilen mehrheitlich den Vorwurf der Opposition, der König sei nackt und die neue Garderobe pure Illusion.

Wie Hollande seine Versprechen halten will, bleibt schwammig. Das Ziel ist klar, der Weg dorthin aber nicht. Gegen die Ankündigung, bis zum Jahresende eine Trendwende am Arbeitsmarkt zu schaffen, wäre nichts einzuwenden - könnte der Präsident nur erklären, wie er sie umsetzen will. Allein mit staatlich bezuschussten Jobs für schwer vermittelbare Zielgruppen wird es nicht getan sein. Im Juli waren rund 3,3 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet, eine Quote von fast elf Prozent und neuer Höchststand.

Frankreichs Wirtschaft kommt nur schwer in Gang, was wiederum neue Sparmaßnahmen erfordert, um die Verschuldung zu senken. Und doch sieht neuerdings auch der Internationale Währungsfonds Anzeichen einer nahenden Erholung. Die Experten warnen allerdings davor, mit einem allzu strikten Sparkurs die Konjunktur abzuwürgen, und mahnen strukturelle Reformen an.

Innerhalb der OECD gehört Frankreich bereits zu den Ländern mit der höchsten Abgabenlast für Firmen und Bürger. Steuer-Erhöhungen würden "im Idealfall so gering wie möglich" ausfallen, erklärte der Präsident - noch so eine Wolkigkeit à la Hollande. Er setzt nicht nur auf konsequenten Optimismus, sondern lässt auch größte Vorsicht walten, um die ohnehin demoralisierten Bürger nicht noch mehr gegen sich aufzubringen. Von den Linken in seiner eigenen Partei für einen zu scharfen Sparkurs kritisiert, von den oppositionellen Konservativen zu mehr Reformmut angetrieben, wagt er Veränderungen nur in homöopathischen Dosen.

So bringt die Arbeitsmarktreform zwar Verbesserungen für mehr Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, bleibt aber ein kleiner Wurf. Die Armee soll weiterhin Frankreichs militärische Bedeutung in der Welt sichern, obwohl das Budget stagniert und in den nächsten Jahren 34 000 Stellen gekürzt werden sollen. Und ohne eine Reform droht der Rentenkasse 2020 ein Defizit von 20 Milliarden Euro. Er werde das Problem dauerhaft lösen, hat Hollande versprochen. Jetzt muss er das nur noch halten. Es wäre eine erfreuliche Überraschung.

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