Kommentar: Frankreichs Blick auf Angela Merkel in Corona-Krise Vorbild Deutschland

In Frankreich wiegt in der Corona-Krise das Wort von Bundeskanzlerin Merkel bisweilen mehr, als das des eigenen Präsidenten.

Frankreichs Blick auf Angela Merkel in Corona-Krise
Foto: SZ/Lorenz Robby

Deutschland ist in der Corona-Krise für sehr viele Franzosen längst zu einer Art Orientierungspunkt geworden. Während der ersten Welle kam eine bisweilen kaum unterdrückte Bewunderung zutage, wie der Nachbar auf der anderen Seite des Rheins die Pandemie meisterte. Das hängt auch mit dem immer größer werdenden Misstrauen in das Handeln der eigenen Regierung zusammen. So erklärte Präsident Emmanuel Macron dem Virus im Frühjahr martialisch den Krieg, doch die Infektionszahlen gingen dennoch durch die Decke. Im Gegensatz dazu stand die mahnende Sachlichkeit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel – und ihr Erfolg in der Eindämmung der Krankheit. Komplettiert wurde das Bild vom „Vorbild Deutschland“, als erste Meldungen die Runde machten, dass deutsche Labore erfolgreich an einem Impfstoff forschen.

Und auch jetzt, mitten in der zweiten Pandemie-Welle, scheinen die Worte der Kanzlerin eine wesentlich größere Wirkung auf die Franzosen zu haben als jene der eigenen Politiker. Dass die Corona-Maßnahmen an Weihnachten und Silvester verschärft werden, wird von den meisten Leuten murrend zur Kenntnis genommen. Doch wirklich Eindruck macht auch in Frankreich vor allem die Rede Angela Merkels vor dem Bundestag. Die Bilder der sonst immer so beherrschten Regierungschefin, die ihre Landsleute geradezu anfleht, während der Feiertag auf große Familienfeiern zu verzichten, werden in fast jeder Diskussion über die Corona-Pandemie erwähnt. Nichts scheint für die Franzosen den Ernst der Lage besser zu dokumentieren, als dieser emotionale Auftritt der deutschen Kanzlerin. Und immer mehr Franzosen scheinen sich die bange Frage zu stellen: Wenn die Deutschen das nicht hinbekommen – wer dann?

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