EU-Ratspräsidentschaft Finnland will ein grünes Europa

Brüssel · In sechs Monaten will Antti Rinne ein kleines Wunder vollbringen. Erst vor wenigen Wochen ist der finnische 56-jährige Sozialdemokrat zum neuen Ministerpräsidenten gewählt worden, seine Fünf-Parteien-Koalition steht seit wenigen Tagen auf festen Mehrheits-Füßen.

 Der neue finnische Ministerpräsident Antti Rinne will die EU-Staaten darauf verpflichten, ihren CO 2 -Ausstoß drastisch zu senken.

Der neue finnische Ministerpräsident Antti Rinne will die EU-Staaten darauf verpflichten, ihren CO 2 -Ausstoß drastisch zu senken.

Foto: AP/Julien Warnand

An diesem Montag übernimmt der ehemalige Gewerkschafter mit seiner Regierung auch die halbjährlich wechselnde Ratspräsidentschaft der EU – mit einem ambitionierten Ziel: „Bis 2050 soll die Gemeinschaft klimaneutral werden.“ Das skandinavische Land will das schon 2035 erreichen. „Es geht uns um soziale, wirtschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit“, betonte der frisch gebackene Premierminister vorab.

Die finnischen Regierungsparteien haben sich im neuen Koalitionsvertrag verpflichtet, den Kohlendioxidausstoß innerhalb von nur 16 Jahren unter die Menge zu senken, die von Wäldern, Feuchtgebieten und dank neuer Technologien aufgenommen werden kann. Das wäre ein echter Weltrekord. Zwar plant das Nicht-EU-Land Norwegen schon bis 2030 das gleiche Ziel zu erreichen, setzt dabei aber auf den Kauf internationaler Kohlendioxid-Luftverschmutzungs-Zertifikate und andere Kompensationen – mit anderen Worten: Norwegen verteilt seine Lasten auf andere. In Helsinki hält man von solch einer Verlagerung konkreter Klimaschutzprojekte nichts.

In Brüssel will Rinne nun das erreichen, was beim Frühjahrsgipfel im Juni zunächst scheiterte: eine Einigung auf Klimaneutralität wenigstens bis 2050. „Finnland würde es lieben, in seinen sechs Monaten einen solchen Vertrag abzuschließen“, sagte ein skandinavischer EU-Diplomat vor wenigen Tagen in Brüssel. Mit Ausnahme von vier Staaten hat Finnland die Europäische Union bereits auf seiner Seite. Polen, Tschechien, Ungarn und Estland sind dagegen schwerer zu überzeugen.

Das wird auch dadurch nicht leichter, dass die finnische Regierung bei den nun intensiv anlaufenden Beratungen für einen Finanzrahmen 2021 bis 2027 jene Mitgliedstaaten mit der Kürzung von Fördergeldern bestrafen möchte, die Defizite bei der Rechtsstaatlichkeit vorweisen. Betroffen wären Polen und Ungarn, die somit Gründe haben, den ehrgeizigen Finnen  Steine in den Weg zu legen.

Vor allem deshalb rechnet niemand wirklich mit einem baldigen Abschluss der Verhandlungen um höhere Beiträge der Mitglied­staaten zum EU-Haushalt. Ein Durchbruch sei erst zu erwarten, wenn wieder ein gewichtiges Land den EU-Vorsitz übernehme – also im zweiten Halbjahr 2020. Dann ist Deutschland an der Reihe.

Gerade mal zwei turnusmäßige Gipfeltreffen hat Helsinki Zeit, die anderen Staats- und Regierungschef von den Klimaschutzplänen zu überzeugen. Diese Gipfel sollen im Oktober und im Dezember stattfinden. Dennoch gibt sich die finnische Regierung optimistisch. Sobald die Führungsfragen innerhalb der Gemeinschaft gelöst seien, das neue Europäische Parlament seine Arbeit aufgenommen habe und nicht zuletzt die neue Kommission gebildet sei, werde Finnland loslegen. Das sind allerdings viele Hindernisse, von denen auch der neue Ministerpräsident Antti Rinne am Tag Eins seines neuen Amtes in Brüssel nicht weiß, ob sie in den nächsten sechs Monaten überwunden werden können.

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