Finanzminister für gute Zeiten

Meinung · Im Jahr 2002 verkündete der damalige Bundesfinanzminister Hans Eichel, dass der nächste Haushalt mit 15,5 Milliarden Euro die "niedrigste Neuverschuldung seit der Wiedervereinigung" haben werde. Das sagt wortgleich auch sein Nachfolger Peer Steinbrück über den Etatentwurf für 2009, den das Kabinett heute verabschiedet

Im Jahr 2002 verkündete der damalige Bundesfinanzminister Hans Eichel, dass der nächste Haushalt mit 15,5 Milliarden Euro die "niedrigste Neuverschuldung seit der Wiedervereinigung" haben werde. Das sagt wortgleich auch sein Nachfolger Peer Steinbrück über den Etatentwurf für 2009, den das Kabinett heute verabschiedet. Die Parallelen sind überwältigend. Auch Eichel war sich damals gewiss, schnell auf eine "schwarze Null" zu kommen. 2006, sagte er, sei es so weit. Steinbrück verspricht es für 2011. Im Jahr 2006 stand jedoch unter Eichels Endabrechung statt der Null ein Minus von 27,9 Milliarden Euro. Die Wirtschaftskrise hatte die Steuereinnahmen einbrechen lassen. So wie Eichel zu negativ bewertet wurde, weil er wenig dafür konnte, dass er in den schlechten Zeiten Kassenwart war, wird Steinbrück jetzt zu positiv bewertet. In seine Amtszeit fallen beim Bund Steuermehreinnahmen gegenüber 2005 von zusammen 159 Milliarden Euro. Wo ist all dieses Geld geblieben?Die große Koalition hat die Mehreinnahmen nicht genutzt, um mehr zu sparen. Sie hätte dann schneller auf einen ausgeglichenen Haushalt kommen können, vielleicht schon 2009. Alternativ hätte sie wenigstens die Zusatzeinnahmen aus der "kalten Progression" an die Steuerzahler zurückgeben müssen. Aber sie hat, außer bei der Eigenheimzulage und der Pendlerpauschale, nur draufgelegt bei den Ausgaben. Für Familien, Forschung und Sozialausgaben, zuletzt für eine vorgezogene Rentenerhöhung. Kein Wunder also, dass der Minister jetzt nur mit Mühe Mehrforderungen von insgesamt 7,5 Milliarden Euro abwehren konnte.Steinbrücks Schuldenabbauplan ist um keinen Deut seriöser als Eichels Versprechungen im Jahr 2002. Noch immer hat der Haushalt ein strukturelles Defizit, noch immer gibt es keinen Puffer für die Krise. Wenn die Konjunktur einbrechen sollte, wird Steinbrück genauso dastehen wie sein Vorgänger: als Schuldenminister. Wie gut müssen die guten Zeiten eigentlich sein, damit ein Finanzminister die schwarze Null einmal nicht in die nächste, sondern in die laufende Legislaturperiode terminiert - und damit in eine Zeit, für die er garantiert selbst noch die Verantwortung trägt?Im Zuge der Föderalismusreform II wird derzeit über eine verbindliche Schuldenbremse diskutiert. Aber die Finanzpolitiker bekommen kalte Füße. Immer neue Ausnahmen vom Schuldenverbot werden vorgeschlagen. Es ist wie beim Raucher, der von seiner Sucht loskommen will, aber den Termin für null Zigaretten nicht festlegen mag. Dabei weiß jeder, dass nur sofortiges Aufhören hilft.

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