Fidel Castro gibt der Welt Rätsel auf

Havanna · Fidel Castro ist immer für eine Überraschung gut. Kubas langjähriger Machthaber wurde oft totgesagt, jedes Mal meldete er sich zurück - manchmal gar mit aufsehenerregenden Auftritten wie im Oktober 2012, als er seine Widersacher in einem Artikel als "Unglücksraben" beschimpfte.

Nun rätseln viele über die Rolle des 88-Jährigen beim jüngst verkündeten diplomatischen Neustart Kubas und der Vereinigten Staaten nach mehr als 50 Jahren Eiszeit.

Castro hat sich seit vergangener Woche nicht zu Wort gemeldet. Auch haben die Staatsmedien kein aktuelles Bild von ihm veröffentlicht, etwa neben den "Cuban Five" - die letzten drei der 1998 in den USA inhaftierten kubanischen Spione wurden am Mittwoch als Teil der Abmachung zwischen US-Präsident Barack Obama und Fidels jüngerem Bruder, dem jetzigen Staatschef Raúl Castro , auf freien Fuß gesetzt.

Auf der Insel wurden alle fünf wie Helden gefeiert, auch Raúl empfing sie im Revolutionspalast. Nur von einem Besuch bei Fidel Castro weiß man bislang nichts. Dabei liebt der "Máximo Líder" den großen Auftritt. Im Juli dieses Jahres durften sich Russlands Präsident Wladimir Putin und Chinas Xi Jinping neben dem inzwischen greisen Revolutionsführer ablichten lassen.

Eigentlich haben sich die Kubaner inzwischen an die Abwesenheit Castros gewöhnt. Seit er 2006 krankheitsbedingt die Macht an seinen fünf Jahre jüngeren Bruder Raúl abgeben musste, hat sich der früher allgegenwärtige Fidel allmählich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Auch die Meinungsartikel "reflexiones", die er nach seiner Genesung etappenweise im Tagestakt schrieb, sind inzwischen rar geworden.

Jetzt warten aber alle seit Tagen auf den Revolutionsführer, dem der US-Geheimdienst einst wohl nach dem Leben trachtete. Seine Stimme hat nach wie vor das größte Gewicht - und wer könnte besser als er die historischen Vorgänge in der jahrzehntelangen Fehde mit den USA erläutern? Der Ex-Staatschef lässt aber beharrlich auf sich warten. Das verleitete die US-Zeitung "New York Times " zu der Annahme, dass sich die Kubaner vielleicht nun langsam vom langen Schatten Castros lösen sollen. Für viele bestätige seine Abwesenheit, dass Fidel "vielleicht durch seinen eigenen Plan immer weiter in die Vergangenheit rückt", befand das Blatt.

In Havanna sind viele anderer Meinung. "Ich bin mir sicher, dass er sehr glücklich ist und an diesen Entscheidungen teilgenommen hat", sagte seine Nichte Mariela Castro jetzt im US-TV. Sie kenne die Details der Geheimverhandlungen aber nicht, versicherte freilich Raúls Tochter, die selbst Abgeordnete ist.

Wusste Fidel Castro also doch nichts von dem einmaligen, sich über anderthalb Jahre hinziehenden diplomatischen Vorgang? Das ist auf Kuba schwer vorstellbar. Zumindest einer von Castros letzten Artikeln könnte auch das Gegenteil vermuten lassen. Im Oktober hatte die "New York Times " das Ende des US-Embargo gegen Kuba gefordert. Die Zeitung sei ein "Presseorgan, das unter bestimmten Umständen Richtlinien für die den Interessen seines Landes angemessene Politik vorgebe", erklärte Fidel Castro damals vielsagend.

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