Feuertaufe bestanden

Der größte Gewinner des Stresstests sitzt in Frankfurt: Zahlreiche Kritiker hatten im Vorfeld bezweifelt, dass die neue Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) die Prüfung der 130 systemrelevanten Institute störungsfrei und pünktlich über die Bühne bringen würde.

Doch jetzt müssen alle einräumen, dass es der EZB gelungen ist, einen durch und durch soliden Stresstest abzuliefern. Und zwar einen, dessen positive Auswirkungen schon jetzt zu spüren sind. Denn die Durchfaller-Quote ist zwar mit 25 von 130 überprüften Häusern signifikant hoch. Doch getrieben von den Anforderungen der Prüfer haben zahlreiche Kreditinstitute bereits im Vorfeld und während des Tests ihre Eigenkapital-Quoten deutlich nach oben geschraubt - und damit das System insgesamt gestärkt.

Als positives Signal muss auch bewertet werden, dass die EZB sich nicht gescheut hat, die zahlreichen Krisenbanken aus Italien beim Namen zu nennen. Während Kritiker im Vorfeld gefürchtet hatten, dass EZB-Chef Mario Draghi einen Schutzschirm über seine Heimat spannt, haben die Aufseher eindrucksvoll ihre Unabhängigkeit bewiesen.

Ob es den Verlierern jetzt wirklich gelingen wird, ihr Kapital ausreichend aufzustocken, das ist die wirklich kritische Frage. Wäre es so leicht, hätten sie es schließlich schon im Vorfeld des Stresstests getan. Nicht allen steht der Kapitalmarkt als Geldgeber zur Verfügung. Teilweise werden die Institute auf staatliche Kredite hoffen. Doch dauernde Stützungsmaßnahmen maroder Banken sind nicht sinnvoll. Nach dem Test steht auch die Frage von Schließungen im Raum.

Überhaupt - und hier ist die Kritik am Stresstest berechtigt - war die Überprüfung nur auf das vorhandene Kernkapital gerichtet, das die Bank vor einem möglichen Zusammenbruch schützt. Dieser Fokus alleine aber reicht nicht aus. Vielmehr müssten jetzt ganz andere Faktoren geprüft werden: die Geschäftsmodelle und ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit. Denn eine ausreichende Kernkapital-Quote bedeutet noch lange nicht, dass eine Bank auch bei rückläufiger Konjunktur und einer anhaltenden Niedrigzinsphase ausreichend Gewinne erwirtschaftet, um das eigene Überleben dauerhaft zu sichern.

Nach dem Stresstest muss deshalb vor dem Stresstest sein. Notwendig ist einer, der die Geschäftsmodelle unter die Lupe nimmt. Wo entstehen Gewinne aus soliden Finanzierungsangeboten, wo vor allem aus Spekulation? Zu viele Banken haben sich von ihrer ureigenen Aufgabe verabschiedet: der Finanzierung der Wirtschaft.

Ihre Feuertaufe hat die europäische Bankenaufsicht mit diesem Stresstest erfolgreich bestanden. Jetzt wird sie noch zeigen müssen, dass sie auch das Tagesgeschäft beherrscht.

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