Falsche Entrüstung

Meinung · Mit Entrüstung reagieren Politik und Beschäftigte auf die Entscheidung des Autoherstellers General Motors (GM), Opel im Konzern zu behalten

Mit Entrüstung reagieren Politik und Beschäftigte auf die Entscheidung des Autoherstellers General Motors (GM), Opel im Konzern zu behalten. NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers spricht von der "hässlichen Fratze des Turbo-Kapitalismus", Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle bezeichnet das Verhalten als "inakzeptabel" und Opel-Betriebsratschef Klaus Franz spricht von einem "schwarzen Tag für Opel". Aus menschlicher Sicht ist die Enttäuschung über die Kehrtwende nach einem gut einjährigen Verhandlungsmarathon zwar verständlich, sachlich ist sie unangebracht.Denn nüchtern betrachtet ist der Verbleib bei GM für den deutschen Autohersteller die bessere Lösung. Eingebunden in den US-Konzern kann Opel nicht nur vom weltweiten Vertriebsnetz profitieren, sondern auch von den konzernübergreifenden Produktionsplattformen und der gemeinsamen Entwicklung. Sicher: Erst durch jahrelange Managementfehler und eine verfehlte Modellpolitik der US-Mutter ist Opel in Schieflage geraten. Aber GM hat sich in der Insolvenz auch erneuert. Die Altlasten, die dem Unternehmen die Luft nahmen, sind abgebaut, und auch das Management hat sich gewandelt: Mit Fritz Henderson steht ein Mann an der Spitze, der den europäischen Markt bestens kennt, und im Verwaltungsrat sitzen Spitzen der amerikanischen Wirtschaft. Insofern hat Opel mit GM sicher eine bessere Zukunft als unter dem Dach des Zulieferers Magna und des russischen Autoherstellers Gaz, deren Konzepte so fragwürdig waren, dass sogar die Vertreter Deutschlands in der Opel-Treuhandgesellschaft dem Verkauf an Magna ihre Zustimmung versagten. Das sollten auch die Gewerkschaften beachten, wenn sie jetzt laut mit Boykott-Aktionen drohen.Sicher: GM muss sich vorwerfen lassen, Politik und Mitarbeiter ein Jahr lang hingehalten zu haben. Aber wer will dem Hersteller vorwerfen, dass er seine europäische Tochter behalten will, wenn er sich nun finanziell dazu in der Lage sieht? Opel gilt innerhalb des Konzerns als die modernste Marke mit zeitgemäßen Kleinwagen und einem weltweit führenden Entwicklungszentrum. Bitter ist die Entwicklung für Angela Merkel, die gerade noch vor dem US-Kongress die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit gelobt hat. Sie hatte Opel zur Chefsache gemacht. Insofern muss sie die Absage an Magna als eigene Niederlage verbuchen. Aus ordnungspolitischer Sicht dagegen ist die Entwicklung zu begrüßen. Marode Unternehmen mit Staatsmillionen aus ihrer Schieflage zu befreien, war marktwirtschaftlich noch nie eine gute Idee.

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