Fakten-Check entlarvt Lügenbarone im Wahlkampf

Washington. Die frechste Prahlerei im US-Wahlkampf leistete sich kürzlich Paul Ryan. Er habe den Marathonlauf in zwei Stunden und 50 Minuten hingelegt, behauptete der Vize von Präsidentschaftskandidat Mitt Romney, ohne rot zu werden

Washington. Die frechste Prahlerei im US-Wahlkampf leistete sich kürzlich Paul Ryan. Er habe den Marathonlauf in zwei Stunden und 50 Minuten hingelegt, behauptete der Vize von Präsidentschaftskandidat Mitt Romney, ohne rot zu werden. Doch in Zeiten des Internet haben Lügner kurze Beine: Kritischen "Faktenprüfern" (fact checker) erschien die Leistung des 42-Jährigen allzu schmeichelhaft. Ein paar Mausklicks weiter war klar: In Wirklichkeit brauchte der Republikaner knapp über vier Stunden, wie die "Washington Post" enthüllte. Ryan war blamiert, ganz Amerika schmunzelte über die Schwindelei - die Wahrheit hatte einen Sieg errungen.Die Wahlen im November könnten als "die Wahlen des Überprüfens von Fakten" in die Geschichte eingehen, schreibt bereits das linksliberale Online-Blatt "Huffington Post". Diverse Plattformen von "Factcheckern" sprießen geradezu aus dem Boden. Kein Politiker ist vor ihnen sicher. So hatten Präsident Barack Obama und sein Vize Joe Biden ihre großen Auftritte beim Demokraten-Parteitag eben erst hinter sich gebracht, da wurden ihre Reden bereits auseinandergenommen. Fazit: Auch diese beiden beherrschen es meisterhaft, die Wahrheit so darzustellen, wie sie ihnen in den Kram passt.

Obama brüstete sich beispielsweise mit seinen Sparplänen. "Unabhängige Analysen" zeigten, dass er das staatliche Defizit um vier Billionen Dollar reduziere, meinte er mit treuherzigem Augenaufschlag. Doch gleich mehrere "Factchecker" wenden ein, hier werde die Wirklichkeit schöngeredet. In Wahrheit seien es eher drei Billionen Einsparungen. Zudem erwecke Obama den Eindruck, als sei das Schuldenproblem damit praktisch gelöst, wovon aber keine Rede sein könne. Denn auch in zehn Jahren hätten die USA, gemessen an ihrer Wirtschaftsleistung, noch 76 Prozent Schulden. Überhaupt bedienten sich Politiker einer extrem eigenwilligen Definition des Wortes Sparen. Es bedeute bei ihnen lediglich weniger Schuldenmachen als zuvor und nicht etwa, Geld auf die hohe Kante zu legen.

Zwar waren "Factchecker" schon bei den Wahlen 2008 präsent. Die "Washington Post" verlieh entlarvten Schwindlern bereits damals bis zu vier Pinocchio-Nasen - je nach Dreistigkeit der Irreführung. Doch diesmal sind die Wahrheits-Prüfer allgegenwärtig. Man sei offenbar "an dem Punkt angekommen, dass wir neutrale Schiedsrichter benötigen, um Politiker vom Lügen abzuhalten", konstatiert die "Huffington Post". Die Parteien reagieren genervt auf die Entwicklung, vor allem die Republikaner fühlen sich im Visier der Aufrechten. "Wir lassen uns unseren Wahlkampf nicht von Factcheckern diktieren", schimpft ein Wahlstratege aus Romneys Team.

Spitzenreiter der großen und kleinen Unwahrheiten ist derzeit der Marathonmann Ryan. Er versuchte beim Parteitag der Republikaner gleich mit mehreren schrägen Behauptungen zu punkten. Unter anderem ging es um eine Fabrik des Autobauers General Motors in Ryans Wahlkreis in Wisconsin. Vollmundig habe Obama 2008 behauptet, das Werk werde für weitere 100 Jahre bestehen bleiben, sagte Ryan. "Es stellte sich heraus, dass die Fabrik kein weiteres Jahr existierte." Was er sagen wollte, war klar: Obama sei für die Schließung verantwortlich. Doch Faktenprüfer fanden heraus, dass der Standort dichtgemacht wurde, als Obama noch gar nicht Präsident war.

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