Explosive Energiewende

Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) ist nicht zu beneiden. Seine Ziele, die Energiewende so auszugestalten, dass der Strompreis-Anstieg gebremst wird und dennoch der Anteil von Strom aus Wind, Sonne oder Biomasse zunimmt, lassen sich nur schwer zusammenbringen.

Das wurde gestern erneut deutlich, als Gabriel seine Pläne im Bundestag vorstellte und sie anschließend mit den Energieminister-Kollegen aus den Bundesländern diskutierte.

Schon der Anspruch ist abenteuerlich. So soll der Ökostrom-Anteil bis zum Jahr 2025 auf 40 bis 45 Prozent und bis 2035 auf 55 bis 60 Prozent steigen. Allein das Ausbauziel bis 2025 hat zur Folge, dass dann 130 000 Megawatt (MW) an Photovoltaik- und Windkraftanlagen bereitstehen, die aufgrund des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) bezuschusst werden - in welcher Höhe dann auch immer. Aber diese MW-Masse passt nicht zur deutschen Leistungsnachfrage, die je nach Tages- und Jahreszeit zwischen 30 000 und 80 000 MW schwankt. Dieses riesige Angebot kann dazu führen, dass die Netze total überlastet sind und die Nachbarländer genötigt werden, deutschen Strom aufzunehmen - was sie sich fürstlich bezahlen lassen. Es kann aber auch das Gegenteil passieren - nämlich an windstillen und trüben Wintertagen, wenn die Stromnachfrage hoch ist. So geschehen am 11. Dezember 2013. An diesem Tag konnte die gesamte deutsche Wind- und Solarleistung von 67 300 MW für einen Großteil des Tages nur 2000 MW beisteuern. Der gesamte Park an Kohle-, Gas und Kernkraftwerken musste eingesetzt werden, um das Netz stabil zu halten. Vor dem Jahr 2025 kann einem dann nur grausen. Dann sind alle Atommeiler abgeschaltet und die Kohle muss in die Bresche springen. Klimaschutz adé.

Diese Beispiele machen deutlich, wie groß die Herausforderungen und die Gefahren der Energiewende sind. Und im Tagesgeschäft hat das Fingerhakeln erst begonnen. Die nördlichen Bundesländer wünschen sich noch mehr Windräder, die Bayern hingegen mehr Biomasse. Nordrhein-Westfalen und das Saarland mit einer starken Basis an energieintensiver Industrie wollen die Betriebe von Zusatzlasten verschonen. Die Bundesländer zwischen Nord und Süd wehren sich dagegen, dass über ihr Territorium großräumig Übertragungsleitungen gebaut werden. Wenn die Energiewende noch gelingen soll, muss Gabriel nach einer gründlichen Analyse herbe Einschnitte vornehmen und den Kritikern die Stirn bieten. Denn es wird viele Verlierer geben, die sich ungerecht behandelt fühlen und ihm Verrat an der guten Öko-Sache vorwerfen. Doch es gibt nun mal die Gesetze der Elektrophysik, die den Zubau an grünem Strom einschränken und die auch Gabriel durch einen Minister-Erlass nicht außer Kraft setzen kann.

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