Europas Mächtige können früher schlafen gehen

Brüssel · Donald Tusk machte kurzen Prozess. Wenige Minuten vor Mitternacht am Donnerstagabend erklärte der neue Vorsitzende der europäischen Staats- und Regierungschefs das Gipfeltreffen für "beendet". Es gebe "keine Notwendigkeit, morgen erneut zusammenzukommen".

Noch im vergangenen Juni umfasste die Schlusserklärung des Gipfels 26 Seiten. Am Donnerstag war alles auf drei Seiten gesagt.

"Effektives Arbeiten" lautet das neue Stichwort. Dafür steht Tusk nicht alleine. Auch aus dem Kreis der Außenminister berichten Teilnehmer von einem "anderen Gesprächsklima" mit strafferer Führung. Dafür sorge die neue Außenbeauftragte der Union, die 41-jährige Federica Mogherini.

Der "Turbo-Gipfel" von Brüssel ist mit der Lebensweisheit über die neuen Besen, die bekanntlich besser kehren, nur unvollkommen erklärt. Tusk hat als neuer Ratspräsident der Union nicht einfach nur die Tagesordnung gestrafft und die Beratungen besser vorbereitet, sodass die Staats- und Regierungschefs jetzt früher schlafen gehen oder gleich nach Hause fliegen können. Er verfolgt die Idee einer anderen europäischen Arbeitsteilung. Europas Staats- und Regierungschefs sollen sich nicht länger wie der Vormund von Kommission, Parlament und Ministerrat aufführen, sondern sich auf ihre ureigenen Aufgaben in dieser Gemeinschaft konzentrieren: den Austausch über die langfristige Ausrichtung der Union pflegen, aber nicht Verkaufsverbote für Glühbirnen erfinden. Die Spitzenrunde muss das Verhältnis zu Russland bestimmen, nicht aber die Details des Binnenmarktes durchkauen.

Angesichts klarer Führung sinkt die Bedeutung des so genannten EU-Vorsitzes, in dem sich die EU-Mitgliedstaaten alle sechs Monate abwechseln. Jeder bringt hier sein eigenes Programm und seine Lieblingsprojekte mit - noch. Denn Tusk, und Mogherini scheinen erst am Anfang ihrer Entrümpelungsaktion. Für das erste Halbjahr 2015 sind drei Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs geplant - alle sollen auf "höchstens einen Tag" beschränkt werden.

Tusk setzt die stärkere Demokratisierung der Union fort, die mit den Spitzenkandidaten bei der Europawahl begonnen hat, die Kommission zur "Regierung" und das Parlament zu einer echten politischen Volksvertretung aufwertet. Wie das funktionieren kann, zeigt der Umgang mit dem neuen Investitionsprogramm, das zum Aufbruchssignal der EU wird, wenn es denn vernünftig ausformuliert und in Kraft gesetzt wird. Die Staatenlenker haben jetzt dem Papier aus der Feder des Kommissionspräsidenten die Richtung gewiesen, die exakte Ausarbeitung aber an die Gremien übertragen. Aus diesen ersten Grundzügen nun ein funktionsfähiges Instrument zu machen, ist Sache der Kommission und des Parlamentes.

Und diese werden noch viel zu tun haben. Denn viele Mitgliedstaaten gehen offenbar davon aus, sie könnten ihre überfälligen Infrastrukturprobleme aus diesem neuen Fonds bezahlen. Dass Deutschland längst reparaturbedürftige Autobahnbrücken mit EU-Geldern auf Vordermann bringen möchte, ist verständlich. Aber das darf nicht Sinn und Zweck dieses neuen Programms sein. Es geht um neue Jobs.

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