Europa wehrt sich

Meinung · Europa bäumt sich auf. Die Offensive gegen Hedge-Fonds und andere Spekulanten sind der Versuch der Politik, die Herrschaft über einen Finanzmarkt zurück zu bekommen, der die Regierenden zu Nebendarstellern und die Länder zu Opfern gemacht hat

Europa bäumt sich auf. Die Offensive gegen Hedge-Fonds und andere Spekulanten sind der Versuch der Politik, die Herrschaft über einen Finanzmarkt zurück zu bekommen, der die Regierenden zu Nebendarstellern und die Länder zu Opfern gemacht hat. Mit erstaunlicher Entschlossenheit ist man nun bereit, die letzten Bastionen jener Freiheit des Marktes zu schleifen, dessen Umsetzung man lange selbst betrieb. Das mag bei all den spekulativen Geschäften, die ihren Gewinn mit der Filetierung von unterbewerteten Unternehmen oder gar Staaten gemacht haben, in Ordnung sein. Doch eines darf nicht übersehen werden: Der Finanzmarkt mag die Krise ausgenutzt, vielleicht sogar angeheizt haben. Aber er ist nicht der Auslöser. Wer nach Schuldigen sucht, findet sie in den Regierungshauptstädten, in denen über Jahre nach dem Grundsatz gewirtschaftet wurde: Was kümmert mich der Schuldenstand nach der nächsten Wahl? Nun lassen sich staatliche Defizite nicht so spektakulär beseitigen wie Maßnahmen gegen Finanzfonds beschließen. Ganz abgesehen davon, dass der Ruf nach Einsparungen nur so lange besonders laut ertönt, solange er nicht das eigene Land trifft. Es ist leicht, sich über vermeintliche Großzügigkeiten der Griechen lustig zu machen. Deutlich schwerer fällt es, Einschnitte auch in der Heimat mitzutragen. Dabei wäre das genau unser Beitrag zur Stabilisierung des Euro. Um es anders zu sagen: Es sind keineswegs nur die Schulden der Südeuropäer, die die Anleger aus dem Euro treiben, sondern auch die Zahlen aus Deutschland. Die Beschlüsse der Finanzminister und des Europa-Parlaments für mehr Transparenz bei spekulativen Fonds sind ebenso in Ordnung wie die Bankenabgabe. Die Politik darf nicht am Gängelband der Geldinstitute laufen. Schade ist es aber, dass die Euro-Finanzminister die in Deutschland jetzt salonfähige Finanztransaktionssteuer nicht ernsthaft forciert haben. Das allzu eilfertige Resignieren vor der vermuteten Ablehnung durch die angelsächsischen Länder zeugt von wenig Mut, ein politisches Postulat zu formulieren und Druck aufzubauen. Es ist richtig, diese Steuer muss international sein. Aber wer, wenn nicht Europa, sollte den ersten Schritt machen? Es wird jetzt entscheidend sein, wie die Mitgliedstaaten die neuen Instrumente gegen Spekulanten anwenden. Wenn manche Stimmen den Markt regelrecht trockenlegen wollen, geht das zu weit. Und es käme dem Versuch gleich, den Schwarzen Peter weiterzugeben, um selber nur als Opfer dazustehen. Die Politik trägt an der Krise mehr Schuld, als sie hier und da zuzugeben bereit ist.

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