Europa wehrt sich endlich

Meinung · Europa geht in die Offensive. Finanztransaktionssteuer, verschärfter Euro-Pakt, der Rettungsschirm mit achtfacher "Feuerkraft" - endlich ist die Führungsriege der EU aus ihrem Sommerschlaf erwacht. Kommissionschef José Manuel Barroso entpuppt sich als so kämpferisch, wie man ihn lange nicht erlebt hat

Europa geht in die Offensive. Finanztransaktionssteuer, verschärfter Euro-Pakt, der Rettungsschirm mit achtfacher "Feuerkraft" - endlich ist die Führungsriege der EU aus ihrem Sommerschlaf erwacht. Kommissionschef José Manuel Barroso entpuppt sich als so kämpferisch, wie man ihn lange nicht erlebt hat. Seit gestern gibt es Beschlüsse, heute wird der Bundestag folgen, nächste Woche übernehmen die Finanzminister, was der EU-Sondergipfel im Juli beschlossen hat. Und nicht nur der Dax machte vor Erleichterung zunächst einen Freudensprung.Wochenlang hat sich die Euro-Zone aufs Lamentieren und Diagnostizieren beschränkt, nun scheint Entschlossenheit zurückzukehren. Mehr noch: In Brüssel trumpft man mutig auf. Wenn die Langsamen ständig den gesamten Geleitzug ausbremsen, weil sie nur an sich selbst denken, sollen sie doch zurückbleiben. Rücksicht auf die Souveränität der Mitgliedsländer heißt auch, den Weg für die freizuräumen, die zu mehr Zusammenarbeit bereit sind. Wenn Großbritannien, das sich ohnehin ständig Ausnahmen zubilligen lässt, zurückbleiben will, sei der Wunsch gewährt. Aber nicht auf Kosten anderer.

Ob Barrosos gestriger Ausbruch auch ein Aufbruch sein wird, muss leider noch bezweifelt werden. Aber es ist richtig, dass sich die EU und ihr innerer Euro-Kern mit der Frage auseinandersetzen, wie man eigentlich weiterkommen will. Wer Lehren und Konsequenzen aus der Krise zieht, darf nicht für weniger Europa, er muss für mehr Gemeinsames sein. Das fällt vielen nicht leicht, übrigens auch in Berlin nicht. Kanzlerin Angela Merkel hat die deutsch-französische Vor-Gipfel-Kungelei forciert und damit einen Rückfall in die Herrschaft der Hauptstädte befördert. Der andere Weg wäre richtig: eine funktionierende Führung der Gemeinschaft. Eine Wirtschaftsregierung nicht als neue Institution, sondern als Kräftigung der bestehenden. Und die Euro-Zone braucht keinen Vorsitzenden, dessen Stimme kraftlos bleibt. Ihre Führung gehört in die Hände des Währungskommissars - wofür sollte der denn sonst da sein?

Wenn die Schuldenkrise tatsächlich etwas gelehrt hat, dann ist es die Lektion, dass mangelndes Miteinander gepaart mit nationalem Egoismus die größte Gefahr für alle ist. Griechenland hat sich damit selbst in höchste Gefahr gebracht, Portugal, Italien und Spanien auch. Der neue Euro-Pakt, die Wirtschaftsregierung und der nunmehr aufgepumpte Rettungsschirm sind Dokumente einer intakten Staaten-Union. Wenn man nun aber endlich tut, was man bisher nur predigt, dann werden auch die Spekulanten klein beigeben. Und es kehrt endlich die Ruhe ein, die nötig ist, um die Schuldensünder zu stabilisieren und die Geberländer nicht instabil werden zu lassen.

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