Europa rüstet sich zum Start der neuen EU

Brüssel. Guido Westerwelle muss sich an die Brüsseler Spielregeln erst noch gewöhnen. Wenn der frisch gekürte Bundesaußenminister heute zu seinem ersten EU-Gipfeltreffen anreist, wird man ihn zu seinen Kollegen in ein Nebenzimmer führen. Denn die "Chefs", wie die 27 Staats- und Regierungschefs genannt werden, bleiben unter sich

Brüssel. Guido Westerwelle muss sich an die Brüsseler Spielregeln erst noch gewöhnen. Wenn der frisch gekürte Bundesaußenminister heute zu seinem ersten EU-Gipfeltreffen anreist, wird man ihn zu seinen Kollegen in ein Nebenzimmer führen. Denn die "Chefs", wie die 27 Staats- und Regierungschefs genannt werden, bleiben unter sich. Afghanistan ist das Thema der Außenminister, europapolitische Weichen werden nebenan gestellt.Dort rüstet man sich zum Start der "neuen EU". Am 1. Januar 2010 soll der Lissabonner Vertrag in Kraft treten. Damit rechnen alle, auch wenn man mit diplomatischer Zurückhaltung aus Respekt vor dem noch laufenden Ratifizierungsverfahren in Tschechien das so nicht sagen wird. Doch der Kompromiss ist absehbar: Um dem Prager Staatspräsidenten Vaclav Klaus, der den Vertrag weiter strikt ablehnt, einen Gesichtsverlust zu ersparen, soll eine Sonderklausel in der tschechischen Verfassung genutzt werden. Die erlaubt es nämlich, einen völkerrechtlichen Vertrag mit der Unterschrift des amtierenden Ministerpräsidenten Jan Fischer in Kraft zu setzen. Zuvor will EU-Ratspräsident Fredrick Reinfeldt seine Kollegen darauf einschwören, Prag die gleiche Sonderregelung zu erlauben wie auch Großbritannien und Polen: Die Charta der Grundrechte - eigentlich ein zentraler Bestandteil des Reformvertrages - soll in Tschechien nicht gelten.Offiziell ist die Besetzung der beiden neuen Spitzenposten bei diesem EU-Gipfel kein Thema. Doch auf den Fluren werde man sich "schon mal unterhalten", wie es ein hoher EU-Diplomat ausdrückte. Wer wird neuer Präsident des Europäischen Rates? Im Gespräch sind der ehemalige britische Premier Tony Blair und der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker. Werner Langen, Vorsitzender der CDU-Abgeordneten im Europäischen Parlament, gibt beiden eine Chance. Allerdings haben sich acht EU-Mitgliedstaaten bereits gegen Blair ausgesprochen. Er hat sich durch seine Beteiligung am Irak-Krieg viele Feinde gemacht. Der Luxemburger Juncker wird von Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy abgelehnt. Zudem hat der Streit über Luxemburg als Steueroase Distanz zu Deutschland geschaffen. Als aussichtsreicher Kompromisskandidat wird inzwischen der frühere österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel von der konservativen ÖVP gehandelt. Der Hohe Beauftragte für die Außen- und Sicherheitspolitik soll ein Sozialdemokrat sein. Londons derzeitigem Außenamtschef David Miliband werden große Chancen eingeräumt, an die Spitze des 700 Diplomaten starken neuen Auswärtigen Dienstes zu rücken.Vor diesem Hintergrund droht das eigentlich zentrale Thema des Gipfels zu einen Nebenschauplatz zu werden: Klimaschutz. Wenige Wochen vor der Kopenhagener Konferenz müsste die EU eigentlich Position beziehen und sagen, wie viel Geld sie den Entwicklungsländern zustecken will, damit diese bei der CO2-Reduzierung mitmachen. 100 Milliarden Euro seien bis 2020 nötig, hat die Kommission ausgerechnet, finanziert mit Erlösen aus Verschmutzungsrechten und nationalen Beiträgen. Diese Anteile aber sind umstritten. Inzwischen geht man in Brüssel ohnehin davon aus, dass Kopenhagen "eher ein Reinfall" werden dürfte. "Die USA legen sich nicht fest, weil Präsident Obama der Aufbau eines Gesundheitssystems wichtiger ist", heißt es in diplomatischen Kreisen. Deshalb könne die EU erst einmal abwarten.

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