Es geht gar nicht um Religion

Der Kampf gegen die Islamisierung des Abendlandes schält sich als Megathema der deutschen und europäischen Rechten heraus. Auch am Wochenende beim AfD-Parteitag in Stuttgart steht es zentral. Burka, Muezzin, Minarette, Zwangsehen , Kopftücher, Schächten - genug Stoff für politische Kampagnen, wenn man denn nicht gleich den islamistischen Terrorismus bemühen will.

Es ist aber kein Religionskampf. Die ihn am lautesten führen, sind nicht besonders christlich. Wirkliche Christen sind ohnehin tolerant. Es geht um den Islam auch nur, weil diese Religion gerade viele Neubürger stellt; in den 90er Jahren ging es gegen Russlanddeutsche oder Bosnier. Manchmal sogar gegen "echte" Deutsche aus der DDR. Und Juden wurden immer attackiert. Angeblich ist durch die Moslems unsere Kultur gefährdet, unsere deutsche Leitkultur. Aber was einst typisch deutsch war, ist längt aufgeweicht, und zwar nicht von den Zuwanderern, sondern von den deutschen Massen selbst, die sich kulturell und auch sonst allzu gern ausländisch verwöhnen lassen.

Das Grundgesetz markiert das, was die Deutschen verbindet, was die Nation definiert und erfolgreich gemacht hat. Es definiert einen säkularen Staat, in dem der Glaube privat zu sein hat, und in dem selbst im Privaten die Grundrechte gelten. Darauf sollten wir uns wieder stärker besinnen. Gleichberechtigung der Geschlechter, Freiheit des Einzelnen auch im Sexuellen, Toleranz, Demokratie, Rechtstaat. Gegen Zwangsehen und andere Formen von Intoleranz muss und kann man auf dieser Basis entschlossen vorgehen. Allerdings sind das dann nicht Gesetze speziell gegen Muslime, sondern Gesetze, die für alle gelten. Auch die von CDU-Fraktionschef Volker Kauder zu Recht geforderte Überwachung radikaler Prediger - einen speziellen antiislamischen ideologischen Überbau braucht man dafür nicht. Wir waren schon mal weiter in Deutschland. Ideologien und intolerante Religionen gleich welcher Richtung gehören ohnehin zurückgedrängt, das Verbindende gehört gefördert. Das muss das Thema sein.

Es wird behauptet, der Islam an sich sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Das gilt zweifellos für seine radikale Ausrichtung. Aber wer es genau betrachtet, stellt fest, dass die Rechten die Leitkultur des Grundgesetzes in gleicher Weise verletzten. Eigentlich passen sie genauso wenig in das moderne Deutschland wie ein rückständiger Flüchtling aus der afghanischen Provinz. Und sie spüren es. Deshalb kämpfen sie um Hegemonie. In den "national befreiten Zonen" kann man schon sehen, wohin das führt, was die AfD als politischer Arm der Bewegung hier orchestriert. Wer das Ende der jetzigen Kampagne gegen den Islam vor Augen hat, muss vor dem Anfang warnen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort