Ende der Männerherrschaft an der Spitze der Uno?

Genf · Eins hat die Karriere aller acht bisherigen Generalsekretäre der Vereinten Nationen gemeinsam: Ihre Wahl wurde in Hinterzimmern in die Wege geleitet, die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats kungelten den höchsten Repräsentanten der Weltorganisation aus.

Diesmal soll alles anders werden. Mogens Lykketoft, der Präsident der UN-Vollversammlung, verspricht: Bei der anstehenden Bestimmung des neunten UN-Generalsekretärs "sollen zum ersten Mal in der Geschichte der UN alle Mitgliedsländer vollständig in die Diskussion" eingebunden werden.

Zum ersten Mal könnte eine Frau die Aufgabe übernehmen, die der erste Generalsekretär Trygve Lie als "unmöglichsten Job der Welt" bezeichnete. Und eine dritte Premiere zeichnet sich ab: Erstmals könnte ein Osteuropäer die Wahl gewinnen. Von morgen bis Donnerstag müssen die Kandidatinnen und Kandidaten Farbe bekennen: Alle 193 UN-Mitglieder können ihnen in der Vollversammlung Fragen stellen. Erwartet werden Antworten über Werdegang, politische Überzeugung und Pläne für die Vereinten Nationen. Bei der Anhörung sollen auch Fragen normaler Bürger an die Bewerber gerichtet werden - die sozialen Medien machen's möglich. Amtsinhaber Ban Ki Moon , der im Dezember abtritt, soll auf diesem Wege einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin mit breiter Legitimation erhalten.

Auf der offiziellen Kandidatenliste stehen bislang acht Namen, die von vier Frauen und vier Männern. Darunter sind Schwergewichte wie der frühere UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, der Portugiese António Guterres , und die Generaldirektorin der Kulturorganisation Unesco, Irina Bokowa aus Bulgarien. Bis zuletzt wurde auch Bundeskanzlerin Angela Merkel als Kandidatin ins Spiel gebracht. Aber auch weniger bekannte Persönlichkeiten wie Moldawiens Ex-Außenministerin Natalia Gherman sind dabei.

Mit dem Ende der Geheimniskrämerei bei der Wahl könnte die Männer-Dominanz in der UN-Führung fallen. "Niemals zuvor war die Möglichkeit so groß, dass eine Frau zum Generalsekretär gewählt wird", sagt die amerikanische Frauenrechtlerin Charlotte Bunch. Tatsächlich wächst unter den UN-Mitgliedern die Einsicht, dass die Hälfte der Weltbevölkerung nicht länger ignoriert werden kann. Die Chefin des UN-Entwicklungsprogramms, Helen Clark , die als vorläufig letzte Kandidatin ihren Hut in den Ring warf, will zwar nicht als "Quotenfrau" gewählt werden. "Aber ich möchte, dass Frauen eine faire Chance haben, jede Führungsposition zu erklimmen", sagt die Ex-Premierministerin Neuseelands.

Gleichbehandlung verlangen auch die osteuropäischen Staaten. Noch nie stellte ein Land dieser Region den Generalsekretär - dagegen schafften es schon drei Westeuropäer an Spitze der UN. Der russische Vize-Außenminister Gennadi Gatilow sprach sich bereits unmissverständlich für einen "Repräsentanten Osteuropas" als Ban-Nachfolger aus. Und die Haltung Moskaus hat bei der Wahl entscheidendes Gewicht. Denn trotz der neuen Transparenz bei der Kandidaten-Auslese hat sich am eigentlichen Wahlmechanismus nichts geändert: Der Sicherheitsrat wird auch 2016 den Generalsekretär bestimmen. Gegen den Willen der Vetomächte Russland, USA und China kann sich kein Bewerber durchsetzen. Die Generalversammlung muss die Nachfolgerin oder den Nachfolger Nachfolgerin Bans danach formell bestätigen.

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