Ende der Illusion

Meinung · Bei jeder Fahrt zur Tankstelle wird es uns schmerzlich klar - der Benzinpreis ist kaputt. Seit Monaten kennen die Energiepreise nur noch eine Richtung: nach oben. Von kurzen Erholungen mal abgesehen

Bei jeder Fahrt zur Tankstelle wird es uns schmerzlich klar - der Benzinpreis ist kaputt. Seit Monaten kennen die Energiepreise nur noch eine Richtung: nach oben. Von kurzen Erholungen mal abgesehen. Die Erkenntnis, die wir daraus schmerzlich ziehen müssen, ist klar: Autofahren ist kein verbrieftes Recht, Strom kommt nicht wie selbstverständlich aus der Steckdose, und in einem kalten Winter müssen wir uns, wie es Berlins Senator Thilo Sarrazin kürzlich provokant formuliert hat, eben einen Wollpullover anziehen und die Temperatur reduzieren. Das ist eine bittere Erkenntnis, und deshalb verschließen noch immer viele von uns die Augen und verweisen beim Ölpreis auf die bösen Spekulanten. Unbestritten haben auch die ihren Anteil am oft irrationalen Auf und Ab des Ölpreises. Doch der langfristige Trend hat mit Spekulation wenig zu tun. Es ist der massiv gestiegene Bedarf an Energie, vor allem in den aufstrebenden Regionen Indien und China, der die Vorräte der Welt schwinden lässt.Verzweifelt suchen wir jetzt in den entlegendsten Gegenden der Erde nach neuer Energie: Die Arktis wird mit 90 Milliarden Barrel Ölreserven und fast 50 Millionen Kubikmetern Erdgas zum Zankapfel der Anrainerstaaten, in Kanada sind einst unberührte Gebiete zum neuen El Dorado der Ölsandförderer geworden - bei extremer Belastung von Natur und Umwelt - und Brasilien fördert Öl unter ähnlich bedenklichen Umständen in der Tiefsee.Dabei weiß jeder, der schon mal auf einem Kindergeburtstag war, dass irgendwann einfach kein Kuchen mehr da ist. Während in den 70er und 80er Jahren die Ölindustrie auf die immer neu entdeckten Reserven und die damit immer längere Laufzeit verwiesen hat, wissen wir heute, dass die Suche nach unentdeckten Lagerstätten nicht die Lösung sein kann. Nicht nur, dass die Vorräte endlich sind, die bedrohlichen Klimaveränderungen zeigen zudem, dass wir beim Energiekonsum längst schon eine kritische Grenze überschritten haben.Zur Lösung kann und muss am Ende jeder einzelne von uns beitragen. Thilo Sarrazin wollte mit seiner Pullover-These sicher provozieren, grundsätzlich hat er aber Recht. Und auch Bundeswirtschaftsminister Michael Glos hat Energiesparen als neue Strategie ausgegeben. Käufer energieeffizienter Geräte will er sogar mit einer Prämie belohnen. Sicher werden wir nicht wie unsere Vorfahren in ungeheizten Häusern leben müssen. Da sei der technische Fortschritt davor. Aber wir müssen auch erkennen, dass unser Lebensstandard nicht selbstverständlich ist. Die Zeit der Illusionen ist vorbei.

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