Ende der Atom-Illusionen

Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich's gänzlich ungeniert. Diese Volksweisheit scheint sich wieder zu bestätigen.

Eon, RWE und EnBW, als Abzocker der Stromkunden und Bremser der Energiewende verschrien, setzen noch eins drauf - vorausgesetzt, die jetzt öffentlich gemachten Behauptungen stimmen. Demnach wollen diese Unternehmen, die lange an der Atomkraft bestens verdient haben, nun, da das Goldene Zeitalter endet, die Risiken und Lasten dem Steuerzahler aufbürden.

In der Tat widerstrebt es dem Gerechtigkeitsgefühl zuzulassen, dass sich die drei Großkonzerne aus der Verantwortung stehlen können. Und doch lohnt sich eine Auseinandersetzung mit dem Vorschlag einer öffentlich-rechtlichen Stiftung, die - wie bei der Kohle - für die Ewigkeitslasten der Kernkraft aufkommt. Die Gründung eines solchen Fonds könnte Klarheit schaffen - eine bittere Klarheit jedoch.

Zunächst zeigt die Debatte nämli ch deutlich: Alles Reden von der billigen Kernkraft war und ist eine Mär. Die Atomkraft war politisch gewollt und wurde massiv vom Staat mit zig Milliarden D-Mark gefördert. Die späteren Profite aus den Atom-Geschäften waren im Grunde Scheingewinne. Die wahren Risiken und Kosten wurden aber von den Konzernchefs wie von vielen Politikern systematisch ignoriert und kleingerechnet. Die Entsorgung des radioaktiven Abfalls, der Hunderttausende Jahre gefährlich strahlen wird, ist unabsehbar teuer. Die 35,8 Milliarden Euro Rücklagen der Konzerne werden kaum ausreichen. Das weiß man dort offenbar selbst, sonst stünde die Idee eines Altlastenfonds nicht im Raum. Vielmehr ist davon auszugehen, dass RWE, Eon und EnBW zu wenig finanzielle Kraft haben, um die Folgekosten der Atomkraft zu bewältigen - zumal die Energie-Riesen schwer angeschlagen sind und seit der Atomkatastrophe von Fukushima massiv an Wert eingebüßt haben .

Politik und Unternehmen hatten sich einst darauf verständigt, dass die Versorger die Lasten der Zukunft tragen sollten. Der Staat glaubte, die Risiken entsorgt zu haben, die Stromversorger blickten nur auf die schnellen Gewinne und verdrängten die Folgekosten. Die bleiben letztendlich wohl oder übel am Steuerzahler hängen. Bei EnBW zum Beispiel ist das ohnehin der Fall, da der Konzern zu 98 Prozent der öffentlichen Hand gehör t.

Der Altlastenfonds könnte einen Weg weisen, mit den Illusionen aufzuräumen. Natürlich dürfen die Konzerne nicht billig aus der Verantwortung entlassen werden. Es muss für sie richtig teuer werden. Am Ende wäre der Vorteil für RWE und Co. eine berechenbare Belastung für den Atomausstieg. Für die Gesellschaft könnte sich eine solche Stabilisierung der Unternehmen auch lohnen, wenn sie die Energiewende dann endlich vorantreiben.

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