Einig nur im Klagen

Europa zeigt sich angesichts der unerträglichen Bilder ertrinkender Flüchtlinge entschlossen. Das ist die Botschaft des gestrigen Sondergipfels der Staat- und Regierungschefs. Und tatsächlich: Wenn man wirklich seine politischen und auch militärischen Kräfte bündeln würde, gäbe es Mittel und Wege, einerseits die Schleuser im Mittelmeer zu stoppen und anderseits auch Flüchtlinge in Seenot zu retten - bzw. ganz zu verhindern, dass die Menschen flüchten müssen.

Die Küstenländer im Süden der Union haben lange um diese Unterstützung betteln müssen. Sie konnten die Partner nicht überzeugen. Hat es dafür wirklich die vielen tausend Todesopfer gebraucht?

Die europäische Flüchtlingspolitik wird zerrissen zwischen humanitärem Anspruch, eigenen Werten und den politischen Realitäten. Natürlich ringt die EU um Selbstschutz und ihr Image in der Welt. Aber es geht eben auch um ein entschlossenes Signal aller 28 Länder, das Flüchtlings-Problem ernst zu nehmen. Das ist gestern beim Gipfel in Brüssel aber nur scheinbar gelungen. Denn eine gesamteuropäische Lösung würde bedeuten, dass man auch die Lasten jener Länder gerecht aufteilt, die am Ende die Menschen betreuen, denen mit Recht in Europa Asyl gewährt wird. Europa ist aber offenbar nicht bereit, die nötige Solidarität aufzubringen. Es kann nicht sein, dass sich 20 Staaten darauf ausruhen, dass die restlichen acht alleine ihre Tore öffnen.

Deshalb darf der Umgang mit den Flüchtlingen nicht mit dem verabschiedeten Zehn-Punkte-Plan enden. Spätestens im Mai, wenn die Kommission ihren Vorschlag zur Migration präsentiert, wird man die bisherige Regelung aufschnüren und neu verhandeln müssen. Um der Flüchtlinge , aber auch um der Bürger in den heute stärker belasteten Mitgliedstaaten willen.

Kritiker werden der EU mit Blick auf die Vereinbarungen vom Donnerstag Blauäugigkeit vorwerfen. Und sie haben ja Recht. UN-Angaben zufolge warten in Nordafrika über eine Million Flüchtlinge . Übrigens nicht die Ärmsten der Armen. Die Hoffnung, mit den nordafrikanischen Staaten sowie den Herkunftsländern der Flüchtlinge bald zu einer Verständigung zu kommen, die ein Abschwellen des Stroms bewirkt, ist gering. Aber trotzdem bleibt dieser Weg langfristig der einzig richtige.

Dabei darf die EU allerdings nicht auf sich alleine gestellt sein. Bisher ist nicht erkennbar, dass die Vereinten Nationen ihr Gewicht genügend einbringen. Die gleiche Intensität, mit der sich die G20-Staaten für eine Reform des Finanzmarktes einsetzen, wäre auch im Kampf gegen die Fluchtursachen nötig. Derzeit kann man nicht erkennen, dass sich die internationale Gemeinschaft außer im Klagen einig ist, der weltweiten Vertreibung entgegenzutreten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort