Eine starke Gemeinschaft

Meinung · War das der Ruck, den Europa gebraucht hat? Dass sich 27 Staaten eines Kontinents auf gemeinsame Maßnahmen gegen die Rezession und für den Klimaschutz verständigen, ist mehr als beachtlich. Man möchte es historisch nennen. Das schmälert nicht die Kritik an den konkreten Ergebnissen, aber die Einigung allein ist schon ein unüberhörbares Signal

War das der Ruck, den Europa gebraucht hat? Dass sich 27 Staaten eines Kontinents auf gemeinsame Maßnahmen gegen die Rezession und für den Klimaschutz verständigen, ist mehr als beachtlich. Man möchte es historisch nennen. Das schmälert nicht die Kritik an den konkreten Ergebnissen, aber die Einigung allein ist schon ein unüberhörbares Signal. Keine Rezession zuvor wurde so einhellig, wenn auch mit unterschiedlichen Mitteln bekämpft. Niemals zuvor haben sich die europäischen Staaten so eng auf gemeinsame Vorgaben für Umweltschutz und Wirtschaft verständigt.Ob dieses einstimmige "Ja" aber reicht, bleibt unsicher. Daran ist nicht nur die Undurchschaubarkeit dieser Mixtur aus Zielen mit Zugeständnissen, nationalen und europäischen Maßnahmen, verschlungenen Wegen und hochgerechneten Ergebnissen schuld. Beim Klima-Poker gibt es wie beim Sammelsurium gegen den wirtschaftlichen Abschwung einen faden Nachgeschmack: Haben sich die EU-Oberen am Ende nur darauf geeinigt, dass jeder tun kann, was er will - Hauptsache, es ist möglichst wenig? Der oft zitierte "europäische Mehrwert" ist nicht erkennbar, sieht man von der Glühbirne als Symbol für den Kurswechsel ab. Das Feilschen um Ausnahmen und "Klima-Soli" verdichtet sich nicht zu einem Signal der Entschlossenheit. Irgendwie hatte man sich eine EU, die sich anschickt, die wirtschaftspolitische Führungsrolle in der Welt anzutreten, anders vorgestellt. Und doch ist es genau dieser Weg, den Europa gehen muss. Jeder Versuch, alle auf einheitliche Maßnahmen gegen die Konjunktur einzuschwören, wäre zum Scheitern verurteilt gewesen. Und das nicht, weil Bundesfinanzminister Peer Steinbrück die britischen Steuersenkungen für wirkungslos hält. Womit er übrigens Recht hat. Nein, der eigentliche Grund für diese "Einheit in der Vielfalt" liegt in der Verschiedenheit der Mitgliedstaaten. London muss mit seinem hohen Anteil der Finanzwirtschaft an seiner Wirtschaftsleistung anders reagieren als Deutschland, wo es noch viel industrielle Produktion gibt. Das landwirtschaftlich geprägte Spanien wiederum muss einen Weg gehen, der sich von dem eines Sozialstaates wie Schweden unterscheidet. Dass die Staats- und Regierungschefs - auf den ersten Blick nur aus nationalem Egoismus - darauf verzichtet haben, alles gleichzumachen (ein Vorwurf, den sich die EU oft genug anhören muss), ist in dieser Situation ihre Stärke. Europa geht die Herausforderung gemeinsam, aber individuell an. Das müsste manchen Gegner der Gemeinschaft verstummen lassen.

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