Eine Spröde mit Charme

Meinung · Als Saarbrücken 1909 zur Großstadt wurde, wuchsen die Städte noch. Wenn sie Einwohner verloren, dann durch Kriege, Seuchen, Hungersnöte. Heute, genau 100 Jahre nachdem aus Saarbrücken, St. Johann und Malstatt-Burbach die Großstadt Saarbrücken entstand, sieht das anders aus. Die Einwohnerzahlen sinken in vielen Orten, auch in Saarbrücken

Als Saarbrücken 1909 zur Großstadt wurde, wuchsen die Städte noch. Wenn sie Einwohner verloren, dann durch Kriege, Seuchen, Hungersnöte. Heute, genau 100 Jahre nachdem aus Saarbrücken, St. Johann und Malstatt-Burbach die Großstadt Saarbrücken entstand, sieht das anders aus. Die Einwohnerzahlen sinken in vielen Orten, auch in Saarbrücken. Der Begriff der "schrumpfenden Städte" ist uns längst geläufig.Einwohner zu verlieren heißt für eine Stadt nicht zwangsläufig, an Bedeutung zu verlieren. Mögen auch Bewohner von Millionenstädten schmunzeln, wenn sich eine Stadt wie Saarbrücken Großstadt nennt - sie ist und bleibt nun mal die größte Stadt des kleinen Bundeslandes. Und sie hat die entsprechende Bedeutung für das Land. So abgedroschen er auch klingen mag, dieser Satz trifft zu: Wenn es Saarbrücken gut geht, geht es auch dem Land gut. Derzeit geht es beiden eher nicht so gut.Saarbrücken könnte, ja müsste Motor sein für das Land. Doch der Motor stottert. Zum riesigen Schuldenberg von mehr als 500 Millionen Euro kommt ein eher mäßiges Image. Saarbrücken ist keine Stadt, von der man spontan sagt: Da muss ich hin! Saarbrücken ist aber eine Stadt, in der man gerne bleibt, kennt man sie erst einmal näher. Spröde eben, aber ganz und gar nicht nicht ohne Charme.Bis hierhin also kein ganz schlechter Befund für die Großstadt, die heute mit einem Gottesdienst und einem Festakt ihr 100-jähriges Bestehen feiert. Wie aber sieht Saarbrückens Zukunft aus? Es wäre leichtfertig, auf Prognosen zu setzen, dass die Menschen künftig lieber in den Städten leben als auf dem Land. Das wäre Stadtentwicklung nach dem Motto "Der demografische Wandel wird es schon richten". In Städte, die sie nicht mögen, die ihnen nicht das bieten, was sie für den Alltag brauchen und sich für die Freizeit wünschen, werden die Menschen nicht ziehen. Ein solches Lebensumfeld ist nicht interessant. Vor allem für junge Menschen nicht. Saarbrücken muss sich also anstrengen - trotz der drückenden Schuldenlast. Die Stadt ist spät dran mit dem Erneuerungsprozess, andere Kommunen haben ihn hinter sich. Aber die Großstadt Saarbrücken hat immerhin ein Ziel: Die neue Stadtmitte am Fluss soll ihr neuen Glanz geben, Anziehungskraft und Schwung. Und sie wird ihr hoffentlich geben, was Saarbrücken, was die Saarbrücker dringend brauchen: Selbstbewusstsein, Stolz auf die Stadt. Das große Projekt wird schwierig, langwierig und teuer. Aber es ist ja auch mehr als eine Schönheitsoperation an einer Hundertjährigen. Es kann wegweisend werden für die Zukunft der Großstadt Saarbrücken.

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