Eine Korrektur, aber keine Reform beim Erben
Berlin. Von einer Reform der Erbschaftssteuer zu sprechen, ist auch nach der Einigung der großen Koalition nicht angebracht. Das hätte ein gemeinsames Reformziel vorausgesetzt, das es jedoch nicht gab. Anlass der Veränderungen war nur der Korrekturbedarf, den das Bundesverfassungsgericht vorgegeben hatte. Man hat an dem Gesetz herumgedoktert
Berlin. Von einer Reform der Erbschaftssteuer zu sprechen, ist auch nach der Einigung der großen Koalition nicht angebracht. Das hätte ein gemeinsames Reformziel vorausgesetzt, das es jedoch nicht gab. Anlass der Veränderungen war nur der Korrekturbedarf, den das Bundesverfassungsgericht vorgegeben hatte. Man hat an dem Gesetz herumgedoktert. Die Chance, eine grundsätzliche Entscheidung zu treffen, wurde vertan. In Deutschland gibt es zwei Denkschulen. Das vererbte Vermögen sei schon einmal besteuert worden und müsse daher frei bleiben, lautet die eine. Diese Ansicht hat eine gewisse Logik. Genauso logisch aber ist die Auffassung, dass das ererbte Vermögen für den Erben leistungslos erzieltes Einkommen ist und deshalb besteuert werden darf. So wie die Schenkung, die ja nicht zufällig im Erbschaftssteuergesetz gleich mitgeregelt ist.In der Debatte ging es auch um tief emotionale Fragen. Dass eine Witwe ihr Haus verkaufen und ein Firmenerbe Mitarbeiter entlassen müsse, nur um das Finanzamt zu bedienen, dieses Argument benutzte vor allem die CSU in der Debatte und als Wahlkampfinstrument. Sie hätte die Erbschaftssteuer am liebsten ganz abgeschafft, so wie viele Länder in Europa es aus solchen Gründen getan haben.Aber bei insgesamt zwei Billionen Euro, die in den nächsten zehn Jahren in Deutschland zur Vererbung anstehen, bedeutet ein Verzicht auf die Erbschaftssteuer, dass die ungleiche Verteilung von Reichtümern in der Gesellschaft immer weiter zunimmt. Nicht wenige Kinder aus wohlhabenden Familien, die ohnehin einen Startvorteil haben, gehen mit mehreren Eigentumswohnungen und einem Aktiendepot ins Leben. Dass das Vermögen Verstorbener wenigstens zu einem Teil dazu benutzt werden müsse, um der nachwachsenden Generation bessere Chancen zu geben, etwa für Bildung, ist eine Philosophie, die zum Beispiel in den USA zu einer sehr hohen Erbschaftssteuer geführt hat - mit dem willkommenen Nebeneffekt, dass sich viele Erblasser in soziale Stiftungen flüchten. Eine höhere Belastung für reiche Erben hätten viele in der SPD deshalb gewollt. Aber die Partei scheute sich, die überfällige Debatte um die Chancengerechtigkeit in Deutschland an dieser Stelle zu führen. So wurde ein Reförmchen gemacht, bei dem das Aufkommen gleich bleibt - und zwar niedrig. Die vier Milliarden Euro für die Kassen der Länderfinanzminister sind den Aufwand, den die Erhebung erfordert, fast nicht wert. In sich ist das gefundene Konzept allerdings weitgehend schlüssig. Die Freigrenzen und die Regelungen für das selbst genutzte Wohneigentum sind so großzügig, dass es Härtefälle nicht geben kann. Und auch Firmenerben müssen, wenn sie den Betrieb weiterführen, das Finanzamt nicht mehr fürchten. Ein Makel haftet dem am Donnerstagabend gefundenen Kompromiss, neben dem grundsätzlichen Einwand, aber auch im Detail an: Zwar werden künftig gleichgeschlechtliche Lebenspartner bei den selbst genutzten Immobilien wie Witwen oder Witwer behandelt und von der Steuer befreit. Nichteheliche Lebenspartner aber müssen den höchsten Steuersatz zahlen, so als wären sie entfernte Verwandte oder Freunde der Verstorbenen. Das ist angesichts der Wirklichkeit heutiger Familien lebensfremd und daher falsch.