Eine dunkle Rede als Weckruf für die Demokratie

Saarbrücken · Sie sollte ein Weckruf sein. Diese Rede, die der AfD-Politiker Björn Höcke auf Einladung der Jungen Alternative am Dienstag im Brauhaus Watzke in Dresden gehalten hat. Höcke richtete ihn an die anwesenden "Patrioten". "Würdigen", "mahnen" und "appellieren" wollte er mit seiner Rede.

Nun: Diese Rede sollte tatsächlich ein Weckruf sein. Und zwar ein Weckruf für all jene, die die AfD immer noch für eine halbwegs bürgerliche Partei halten. Für alle, die sich über die Gesinnung des Landtagsabgeordneten Höcke noch Illusionen hingeben. Jeder Bürger müsse sich diese Rede anschauen, schreibt Internet-Blogger Sascha Lobo beim "Spiegel". "Danach kann keiner mehr sagen, er habe nicht gewusst, was Höcke mit der AfD vorhat." Wie Recht er hat.

Diese Rede funktioniert nur als Ganzes, nicht in Auszügen. Bei dem besonders provokanten Einzelzitat "Die Deutschen sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt pflanzt" hat Höcke den bundesweiten Aufschrei sofort zurückgewiesen - dass er das Denkmal als Schande bezeichnet habe, nennt Höcke eine "bewusst verleumderische Behauptung". Mag sein, wenn man nur den einen Satz betrachtet. Nein, so dumm und plump ist Höcke nicht, offen rechtsradikale Formulierungen zu wählen. Seine rechte Rattenfängerei durchschaut aber, wer sich die folgenden Passagen anhört, in denen Höcke der Politik vorwirft, sie mache die "deutsche Geschichte mies und lächerlich" und es brauche eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad".

Es sind diese Sätze, es ist die Komposition der Rede, es ist der Ton, die Erinnerungen an den Nationalsozialismus wachwerden lassen. Wenn Höcke "unsere einst geachtete Armee", unsere "einst hoch geschätzte Kultur", "unsere einst stolzen Städte", unser "einst fruchtbares Land" und "unsere einst stolze Heimat" beschwört. Oder wenn er davon spricht, dass man mit der Bombardierung Dresdens "unsere kollektive Identität rauben" wollte, uns "mit Stumpf und Stiel vernichten", "unsere Wurzeln roden". Es sind Sätze der Art, wie sie auch in den 30er Jahren in Nürnberg hätten fallen können. "Unser liebes Volk", so sein Credo, ist "erstmals in seiner Existenz tatsächlich elementar bedroht."

Höcke zeichnet mit seiner Untergangsrhetorik das Bild eines verfallenen Staates, da Politiker wie Angela Merkel "unser gutmütiges Volk heimtückisch hinters Licht geführt haben". Seine Lösung ist klar: Nur die AfD kann das Land retten. Sie sei "die einzig friedliche Chance für unser Vaterland", sagt Höcke. "Wir werden uns Deutschland Stück für Stück zurückholen."

Wer beim Lesen dieser SZ-Analyse nun gleich die Wörter "Lügenpresse" und "Volksverräter" auf den Lippen hat, sollte sich geduldig die komplette Rede anschauen. Dank des Internets ist eine Dokumentation möglich, die auch die Zwischentöne einfängt, wenn Höcke Richard von Weizsäcker vorwirft, er habe in seiner Rede zum 8. Mai "stilistisch perfekt" aber "gegen das eigene Volk" geredet, Roman Herzog sogar Perfidie unterstellt. Beschämend ist, dass führende AfD-Politiker sich auch nach der Rede nur halbherzig - wenn überhaupt - von Höcke distanzieren. Umso mehr müssen Wähler sich darüber klar werden, welch Geistes Kind diese Partei ist. Wer hinterher behauptet, er habe es nicht gewusst, irrt. Höcke liefert den Beleg.

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