Ein wohl kalkulierter Krach mit der Kanzlerin

Berlin · Der Mann war früher mal CSU-Generalsekretär , inzwischen ist er Verkehrsminister. Die seit Monaten andauernde Flüchtlingskrise hat Alexander Dobrindt bisher genutzt, um möglichst unauffällig an seinen mehr oder minder erfolgreichen Verkehrsprojekten zu werkeln.

Wenig Öffentlichkeit ist da besser als eine schlechte. Kurzzeitig steckte er nur in der Hochzeit des VW-Skandals pflichtbewusst den Kopf aus der Luke. Das ließ sich nicht vermeiden. Jetzt aber ist Dobrindt zurück im Ring, und das gleich mit einem ordentlichen rechten Schwinger.

Er ist zwar nicht der erste Bundesminister, der auf Distanz zur Flüchtlingspolitik der Kanzlerin geht - Wolfgang Schäuble , Sigmar Gabriel , zwischenzeitlich auch Thomas de Maizière waren schneller. Doch Dobrindt kann für sich in Anspruch nehmen, der erste am Berliner Kabinettstisch zu sein, der sozusagen ohne Umschweife mit Merkels freundlichem Gesicht hadert. Das gab er jetzt in einem Interview zu Protokoll. Es reiche halt nicht mehr aus, sagte der 45-Jährige, der Welt ein freundliches Gesicht zu zeigen, wie die Kanzlerin das im vergangenen Herbst postuliert hatte. Ganz im Gegenteil, meinte Dobrindt: "Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass wir um Grenzschließungen nicht herumkommen." Im Übrigen sei der Satz, eine Schließung der Grenze würde Europa scheitern lassen, umgekehrt auch richtig.

Das ist CSU pur. Dobrindts Mentor, der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer , wird es gerne gehört haben. Trotzdem reicht die christsoziale Programmatik nicht als Erklärung aus, warum Dobrindt so klar auf Konfrontationskurs zu seiner direkten Chefin Angela Merkel geht. Allein im laufenden Jahr kann er Investitionsmittel in Höhe von 13,8 Milliarden Euro ausgeben. Der Ausbau des Breitband-Internetzugangs muss vorangetrieben werden, die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, die Sanierung kaputter Straßen und maroder Brücken. Außerdem prüft Brüssel immer noch das Konzept der total verkorksten Pkw-Maut - für die Dobrindt den Kopf hinhalten muss. Er hat also genug zu tun, genug Ärger. Warum handelt er sich nun womöglich noch neue Konflikte mit der Kanzlerin ein?

Manch einer in Berlin glaubt, dass Dobrindt zwischendurch markige Worte loslässt, weil er auch nach Bayern schielt; weil er dabei sein will, wenn es darum geht, die Nachfolge von Horst Seehofer zu regeln. Doch das ist eher unwahrscheinlich. Alles läuft im Freistaat auf den dortigen Finanzminister Markus Söder zu. Wahrscheinlicher ist, dass der Oberbayer etwas anderes im Blick hat: mehr Macht und mehr Einfluss in Berlin , irgendwann als Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Ein unabhängigeres Amt gibt es nicht bei den Christsozialen. Auch keins, mit dem man als Bayer in der Hauptstadt mehr Einfluss auf Koalitionspolitik nehmen kann. Da lohnt es sich für später, ab und zu mal einen Pflock einzurammen. Gerade gegen die Kanzlerin.

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