Ein Wahl-Spaziergang für den „Retter Ägyptens“

Kairo · Der Ausgang der ersten Präsidentschaftswahl in Ägypten seit dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi scheint vorbestimmt. Und zwar schon lange bevor der Putschführer, Feldmarschall Abdel Fattah al-Sisi, die Uniform gegen einen Anzug eintauschte und seine Kandidatur anmeldete.

Die Auslands-Ägypter, die bereits abgestimmt haben, bestätigen diese Vermutung: 94 Prozent ihrer Stimmen erhielt der von den Medien zum Idol stilisierte "Retter Ägyptens". Bei den zweitägigen Wahlen, die heute enden, dürften dem 59-Jährigen nach Umfragen etwa 74 Prozent sicher sein.

Die "Sisi-Manie" hält das bevölkerungsreichste arabische Land seit vielen Wochen im Bann. Einen Wahlkampf hatte der pensionierte General also kaum nötig. Ohnedies wagt er sich nach mehreren Attentatsversuchen nicht mehr unters Volk, präsentiert sich vielmehr in TV-Interviews mit der Entschlossenheit des Feldmarschalls, der keinen Widerspruch duldet. Dennoch verheißt er den Ägyptern echte Demokratie - freilich erst "in 20 bis 25 Jahren". Dass Hamdin Sabahi angesichts solcher Umstände als einziger Gegenkandidat dem Volk eine Alternative anzubieten wagt, verdient per se Anerkennung. Ist der linke Nationalist aber ein echter Herausforderer oder, wie manche Kritiker meinen, nur ein Handlanger al-Sisis? Das Feigenblatt der Demokratie? Internationale Wahlbeobachter wie das "Carter-Zentrum" schätzten den demokratischen Wert der Abstimmung so gering ein, dass sie gar nicht erst anreisten.

Doch Manipulationen bei der Auszählung - eine alte Tradition am Nil - sind diesmal überflüssig. Die Stimmung der Mehrheit spielt al-Sisi in die Karten: Es herrscht Angst. Vor anhaltendem Chaos, vor dem totalen Zusammenbruch der Wirtschaft oder sogar des Staates, vor Kriminalität, Terror und noch rasanter fortschreitender Verarmung. 34 Millionen Ägypter, fast 40 Prozent der Bevölkerung, leben an der Armutsgrenze. Die Übergangsführer haben diese Ängste fleißig geschürt, und al-Sisi erscheint vielen als einzige Hoffnung, das Land mit Stärke und Härte zur Stabilität zu führen.

Unabhängige Beobachter halten die Wahlen auch deshalb für eine Farce, weil die Moslembruderschaft als weitaus stärkste politische Kraft ausgeschlossen bleibt. Sie wird brutal verfolgt, ihre Führer und zehntausende Anhänger sind in Haft, hunderte wurden in Schnellverfahren zum Tode verurteilt. Die Repression hat inzwischen auch junge Initiatoren der Revolution gegen Diktator Mubarak erfasst: Aktivisten für Demokratie und Freiheit, Journalisten, friedliche Demonstranten. Die Zukunftsängste vieler Ägypter sind indes so groß, dass sie zunehmend die Augen vor Übergriffen der Obrigkeit verschließen. Al-Sisi hat das Militär und fast den gesamten Staatsapparat hinter sich, die alte Elite und führende Mitglieder der aufgelösten Nationalen Demokratie-Partei Mubaraks. Milliardenhilfen aus Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten sind ihm sicher.

Liberale, Aktivisten der Revolutionen gegen Mubarak und Mursi, auch Prominente wie Friedensnobelpreisträger El-Baradei stehen hinter Sabahi. Die Moslembruderschaft und verbündete Islamisten dagegen riefen zum Boykott auf. Eine hohe Wahlbeteiligung könnte al-Sisi somit das Argument liefern, dass die überwältigende Mehrheit der Ägypter die Bruderschaft entschieden ablehnt und die 80 Jahre alte Bewegung endgültig von der politischen Bühne verjagt wird.

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