Ein Teil der Basis wittert Verrat

Berlin. Im Schatten des Endspurts bei der schwarz-gelben Koalitionsbildung kommen die Grünen an diesem Wochenende in Rostock zu einem Bundesparteitag zusammen, um ihren Oppositionskurs für die nächsten vier Jahre zu bestimmen

Berlin. Im Schatten des Endspurts bei der schwarz-gelben Koalitionsbildung kommen die Grünen an diesem Wochenende in Rostock zu einem Bundesparteitag zusammen, um ihren Oppositionskurs für die nächsten vier Jahre zu bestimmen. Eingedenk der parallel stattfindenden Ereignisse - am Samstag und Sonntag wollen Union und FDP ihren Koalitionsvertrag endgültig festzurren - backt man in der grünen Chefetage kleine Brötchen: "Wenn es optimal läuft, dann wird unser Parteitag wahrgenommen." Dabei sollte die Zusammenkunft an der Ostseeküste eigentlich von einer grünen Rückkehr an die Schalthebel der Macht künden. So war es geplant. Doch der Wähler hat anders entschieden. Statt übers Regieren zu schwärmen, muss die Partei nun damit klarkommen, dass sie zwar das beste Bundestagswahl-Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren hat, aber trotzdem kleinste Oppositionskraft geblieben ist. Und obendrein noch ihr wichtigstes Wahlziel verfehlte, nämlich Schwarz-Gelb zu verhindern. Nach den Worten von Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke sollen sich die rund 800 Delegierten denn auch in aller Ausführlichkeit an der künftigen Regierung abarbeiten. Es gehe um eine "klare inhaltliche Verankerung" gegen Sozialabbau, gegen den Ausstieg aus dem Atomausstieg und gegen den "Ausbau des Überwachungsstaates", sagt Lemke. In Wirklichkeit dürften sich die Grünen aber vornehmlich mit sich selbst beschäftigen. Stein des Anstoßes ist das überraschende Jamaika-Bündnis im Saarland. Ein Teil der Basis wittert Verrat an den grünen Idealen, wenn man sich mit Union und FDP zusammentut. Wieder andere wollen sich überhaupt nichts mehr in Sachen Regierungsbildung vorschreiben lassen. Und der Parteivorstand laviert zwischen beiden Grundströmungen. In seinem Leitantrag wird die Absage an eine Jamaika-Koalition während des Bundestagswahlkampfes zwar noch einmal ausdrücklich verteidigt. Aber für 2013 lässt das Papier eine solche Option offen. In einem Antrag der Realos steht die Absage an Schwarz-Gelb-Grün indes scharf unter Beschuss: "Darum waren wir als möglicher Machtfaktor und potenzielle Regierungskraft nicht präsent." Ein weiterer Antrag, der von den grünen Fraktionschefs in den Ländern unterzeichnet ist, wendet sich ebenfalls dagegen, "von vornherein auf grüne Regierungsbeteiligungen zu verzichten". Vor diesem Hintergrund dürfte der Leitantrag noch einige Änderungen erfahren. In welchem Maße das geschieht, wird auch vom Auftritt des saarländischen Chef-Grünen Hubert Ulrich abhängen. Während bei den meisten anderen das Los darüber entscheidet, ob sie in der Debatte ans Rednerpult dürfen, ist Ulrichs Wortbeitrag bereits "gesetzt". Aufschluss über die künftige grüne Marschrichtung wird auch von der Diskussion zum Thema Afghanistan erwartet. Hier will die Parteitagsregie das Fußvolk auf die Forderung nach konkreten Abzugsperspektiven einschwören, was aber nicht heißt, dass die Bundeswehr ihre Mission von heute auf morgen beenden soll. Dagegen betrachten die Parteilinken den deutschen Truppeneinsatz grundsätzlich als schädlich für den zivilen Wiederaufbau. Für einen harmonischen Ausklang des Parteitages ist aber gesorgt. Letzter Tageordnungspunkt ist die Atomdebatte, bei der auch eine "Anti-AKW-Demogruppe" aus Lüchow-Dannenberg auftreten soll. Ein starker flügelübergreifender Applaus dürfte ihr gewiss sein.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort