Ein paar klare Worte zu viel von Oettinger

Brüssel · Analyse Der deutsche EU-Kommissar hat in Brüssel eine Schlüsselrolle, doch Jean-Claude Juncker will ihn nicht zu seinem Vize machen. Das hat seinen Grund.

 Günther Oettinger. Foto: dpa

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Es ist still geworden um Günther Oettinger (63), den deutschen EU-Kommissar. Das soll nach dem Willen seines Chefs, Jean-Claude Juncker, möglichst auch so bleiben. Der Präsident der Brüsseler EU-Kommission hatte den früheren CDU-Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg zwar zum Jahresanfang umgesetzt und ihm das zentrale Ressort Haushalt und Personal zugewiesen. Doch eine weitere, auch für die Öffentlichkeit erkennbare Aufwertung des dienstältesten Kommissars zu einem der sieben Juncker-Stellvertreter bleibt Oettinger verwehrt. Dabei hatten politische Kreise in Brüssel fest damit gerechnet, dass der deutsche Statthalter in der wichtigsten EU-Behörde nicht nur der bulgarischen Kommissarin Kristalina Georgiewa folgen sollte, sondern auch an ihrer Stelle zu einem der sieben Vizepräsidenten aufsteigen würde - ein, wie von mehreren Seiten betont wird, überfälliger Akt auch des Respekts für den Mann, der aus einem der wichtigsten Mitgliedsländer kommt.

Doch daraus wird nichts, heißt es aus dem Umfeld Junckers. Dabei gehe es weniger um die rund 2000 Euro monatlich, die ein Stellvertreter des Präsidenten mehr verdient als "normale" Kommissare. Eine Hervorhebung Oettingers würde vielmehr das Geschlechtergleichgewicht des Teams komplett kippen: Denn abgesehen von Chefdiplomatin Federica Mogherini hat Juncker nur Männer als Vizes um sich geschart. Oettinger würde die ohnehin nicht vorhandene Balance noch mehr in Unordnung bringen

Allerdings glauben die meisten, dass diese Begründung vorgeschoben ist. Der wackere Schwabe hatte sich im Herbst vergangenen Jahres noch als Ressortchef für die digitale Agenda im Ton vergriffen, und bei dem Versuch einer launigen Rede über den technologischen Vorsprung der Chinesen von "Schlitzaugen" gesprochen. Als er sich auch noch über die "Homo-Ehe" und die Frauenquote lustig machte, war das Maß für Juncker voll. Oettinger musste sich öffentlich entschuldigen. Dass der CDU-Politiker wenig später auch noch einräumen musste, eine Dienstreise nach Budapest mit dem Jet eines früheren Daimler-Managers, der auch als russischer Honorarkonsul tätig war, unternommen zu haben, gab Oettinger den Rest. Juncker verordnete ihm öffentliches Schweigen. Außer zu seinen Dossiers solle er sich nicht mehr äußern.

Der Maulkorb ist hart, gerade für einen Mann, der sich als politischer Kommissar versteht - und der bei den demnächst anstehenden Haushaltsverhandlungen mit den Mitgliedstaaten darüber beraten muss, wie der erste EU-Etat ohne Großbritannien aussehen soll. Die Aufgabe hat so großes Gewicht, dass eine Adelung zum Vizepräsidenten auf der Hand liegen würde. Doch Juncker will nicht. Zu groß sind die ohnehin vorhandenen Probleme in der Kommission, als dass er sich neue "klare Worte" von Oettinger als seinem Stellvertreter anhören möchte.

Immerhin war die frühere Haushaltskommissarin Georgiewa in heftigem Streit aus den Brüsseler Diensten geschieden und zur Weltbank gewechselt. Nach ihrem Weggang fiel vier Monate nicht auf, dass die Kommission in Unterzahl arbeitet. Seit Mittwoch steht fest: Die bisherige stellvertretende Vorsitzende der christdemokratischen EVP-Mehrheitsfraktion im EU-Parlament, Mariya Gabriel (37), rückt für ihr Land in die Kommission auf. Was sie dort tun soll, ist aber offen. Oettingers früheres Ressort, die digitale Wirtschaft, macht Vizepräsident Andrus Ansip nebenbei.

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