Ein neues „Made in Germany“

Wenn deutsche Industrie- und Handelskammer-Vertreter über „Made in Germany“ reden, bekommen sie glänzende Augen. Wofür dieses Label nicht alles stehen soll: deutsche Ingenieurskunst, beste Fertigungsqualität und höchste Ansprüche.

Doch in Zeiten der Globalisierung steckt in manchen Produkten aus bundesrepublikanischer Schmiede mehr China und Indien drin, mehr Globalisierung als Deutschland. Das Siegel hat sich überlebt. Ob Schuhe, Autos oder Elektronik - auch die viel und zu Recht gelobten Hersteller bedienen sich preisgünstiger Produktionsbedingungen in entfernten Ländern. Dass ihre Waren dennoch einen guten Ruf auf dem Weltmarkt haben, wird durch etwas ganz anderes begründet: die eigentliche, für ein deutsches Produkt entscheidende Wertschöpfung geschieht bei Planung, Entwurf, Verarbeitung. Die Ursprungsbezeichnung der Bestandteile ist unwichtig geworden. Zumindest für die Qualität des Endproduktes.

Zudem achten immer mehr Verbraucher darauf, unter welchen Bedingungen produziert wird. Sie orientieren sich beim Kauf an Labeln, die etwas über die Arbeitsbedingungen der Menschen aussagen oder Nachhaltigkeit signalisieren. Solche Kriterien muss ein Gütesiegel widerspiegeln, wenn es gebraucht wird. "Made in Germany" sagt dazu wenig bis gar nichts. Die Kämpfer für diese Marke haben es versäumt, sie mit vernünftigen Kriterien zum Qualitätslabel zu machen. In Zeiten, in denen Bio-Siegel oder Fair-Trade-Ursprungsbezeichnungen entstanden, in denen die EU geschützte geografische Ursprungsangaben schuf, haben die Deutschen geschlafen.

Daher ist der Aufstand aus Wirtschaft und Politik gegen die ernüchternden Reformpläne der Kommission eher ein Ergebnis des Wahlkampfes. Die EU reduziert "Made in Germany" auf das, was es einmal war - eine Ursprungsbezeichnung. Und sie legt zugleich offen, was man bisher gerne unter der Decke gehalten hätte: den hohen Anteil nichtdeutscher Wertschöpfung an einem Produkt. Das aber muss gar kein Nachteil für die viel gefragte deutsche Wertarbeit sein. Denn für die ergäbe sich nunmehr eine neue Chance, sich ein echtes Markenlabel zu überlegen, in dem hohe Leistung, Zuverlässigkeit, Sicherheit sowie Sozial- und Umweltstandards zusammengefasst werden. Ein derartiges neues "Made in Germany" bräuchte das Verblassen seines Vorläufers nicht zu fürchten, weil es dann - zertifiziert - für das stünde, was das alte aussagen sollte, aber nie aussagen konnte, "a german product". Wertarbeit aus Deutschland braucht zwar eine solche Auszeichnung nicht, weil sie auch ohne Etikett gefragt ist. Aber sie wäre ein neues Kapitel in der 125-jährigen Geschichte des "Made in Germany".

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