Ein-Mann-Kommando für deutsche Daten

Berlin · Hans-Christian Ströbele war wieder unterwegs, die Deutschen vor Datenklau retten. Diesmal traf er sich zwei Tage lang in London mit zwölf Unterhaus-Abgeordneten, die dort einem Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste angehören.

So wie der 74-jährige Grüne im Deutschen Bundestag auch. Aber es muss ein bisschen wie in Steven Spielbergs Film "Unheimliche Begegnung der dritten Art" zugegangen sein.

Zum Beispiel wurde ein hierzulande selbstverständlicher Satz wie Angela Merkels Bemerkung "Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht" von den Insel-Aliens keinesfalls rückhaltlos geteilt. Einige hätten gesagt, fürs Ausspähen seien Geheimdienste ja nun einmal da, berichtete Ströbele. Andere, "sogar von Labour", hätten darauf verwiesen, dass das Ganze der Terrorabwehr diene und daher nicht schlimm sein könne. Ströbele jedenfalls kam ins Staunen.

Allerdings brachte er auch seinen britischen Kollegen Staunenswertes mit - über das Ausmaß, das die Affäre in der deutschen Diskussion hat. Zum Beispiel, dass 60 Prozent der Bundesbürger Edward Snowden für einen Helden halten, "da waren die schon überrascht". Oder wie groß die Empörung über das Abhören des Merkel-Handys ist. Neugierige Rückfragen bekam er auch zu den Spionage-Aktivitäten aus der britischen Botschaft am Brandenburger Tor. Ströbele berichtete den Londoner Kollegen, dass da tatsächlich Antennen auf dem Dach seien und er immer die Fenster in seinem Büro zumache, wenn er etwas bespreche. "Ich weiß aber nicht, ob das was nutzt."

Vor zwei Wochen, als Ströbele der erste westliche Politiker überhaupt war, der in Moskau direkt ein Gespräch mit dem Ex-NSA-Mitarbeiter Snowden führte, versammelte sich hinterher in Berlin die halbe Weltpresse vor ihm. Diesmal kamen deutlich weniger, was auch am mageren Ertrag der London-Reise lag. Die britischen Abgeordneten konnten ihm keine Informationen darüber geben, ob auf der Insel Überseekabel angezapft werden, ob BND und britische Geheimdienste Daten austauschen und ob deutsche Bürger Objekte britischer Spionagebegierde sind. "Das wissen die nicht, und wenn sie es wüssten, dürften sie es - so wie wir - auch nicht sagen." Immerhin, man will künftig Informationen über die Aktivitäten der Kontrollgremien austauschen, um wenigstens die Fragen etwas zu koordinieren, die man an die eigenen Regierungen stellt. Als Erstes bekommen die Briten alle grünen Bundestagsanträge zum Thema zugemailt - übersetzt. Da kann der Geheimdienst gleich bequem mitlesen.

Andere Mitglieder aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium hatte Ströbele gar nicht erst zur Mitreise eingeladen, obwohl der Ausschuss die Aufnahme von Kontakten in die "Täter"-Länder beschlossen hat. "Die kommen wegen der Koalitionsverhandlungen doch alle nicht dazu", sagte Ströbele zur Erklärung. Er hingegen habe es eilig mit der Aufklärung. Die betreibt er vorerst weiter als Ein-Mann-Kommando. Als Nächstes steht ein Trip nach Washington an. Also praktisch in die Höhle des Löwen. Vorsicht: Bekanntlich kamen alle deutschen Politiker, die bisher in der Spähaffäre dorthin reisten, als Bettvorleger zurück.

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