Ein Frau mit Stil, die so manchen Kerl schlug

Berlin/Seeon · Der Vorfall liegt zwar schon rund 50 Jahre zurück, aber Gerda Hasselfeldt erinnert sich lebhaft an ihn. Als Jugendliche und eines von sechs Kindern half sie im elterlichen Wirtshaus in Haibach im Bayrischen Wald und hörte manchen derben Spruch. Als ein Gast auch noch anzüglich wurde, scheuerte sie ihm eine. Geschlagen hat sie später noch viele Männer - aber nicht mehr physisch. Bald ist Schluss. Im Juli wird sie 67 Jahre alt. Zur Bundestagswahl tritt sie nicht mehr an. 30 Jahre gehörte Hasselfeldt dann dem Parlament an und machte eine für CSU-Frauen beispiellose Karriere.

Seit gestern leitet Hasselfeldt zum letzten Mal die traditionsreiche Winterklausur der CSU-Bundestagsabgeordneten, diesmal nicht im legendären Wildbad Kreuth in Bayern (dort wird renoviert), sondern erstmals in Kloster Seeon am Chiemsee. CSU-Chef Horst Seehofer kommt natürlich auch - und wird Hasselfeldt vermutlich wie so oft die Show stehlen. Das macht ihr aber nichts aus. Hasselfeldt war immer leise, bedächtig, höflich, zurückhaltend - manche sagen langweilig. Und eben so ganz anders als der Polterer und große Redner der CSU .

Das hinderte sie aber nicht am Erfolg. Sie war Bau- und Gesundheitsministerin unter Helmut Kohl , später Bundestagsvizepräsidentin. Seit 2011 führt sie die CSU-Landesgruppe im Bundestag. Als erste Frau auf dem wohl wichtigsten CSU-Posten nach dem Parteivorsitz. Sie geht nach einem Politikerinnenleben ohne Skandal und mit Stil. Ihre Akkuratesse, was Kleidung und öffentlich wahrnehmbaren Umgang betrifft, sind legendär.

Seit Verkehrsminister Alexander Dobrindt (45) die Einführung der Pkw-Maut wieder greifbar gemacht hat, gilt er bei Seehofer offenbar als gesetzter Nachfolger. Für den Parteichef könnte der Mann mit den gestreiften Anzügen ein Gewinn sein. Seehofer wünscht sich wieder eine lautere CSU-Stimme in Berlin. Dobrindt hat einige Male gegen Merkel aufbegehrt - und es überstanden. Hasselfeldt und Merkel haben über die Jahre hingegen ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Sie machte sich auch nicht in der Flüchtlingskrise die massiven CSU-Attacken aus München gegen Merkel zu eigen. Das missfällt so manchem in der Partei. Von Entfremdung ist die Rede. 2015 - kurz nach Merkels großzügiger Aufnahme von Flüchtlingen - war sie von bayerischen Landtagsabgeordneten hinter Klostermauern heftig in die Mangel genommen worden. Welten prallten aufeinander. Sämtlicher aufgestauter Frust über Merkel und die Politik der Bundesregierung wurde ungefiltert auf Hasselfeldt abgeladen. Von ihrem Nachfolger erwarteten viele CSU-ler in jedem Fall wieder mehr Prioritäten für den Freistaat und weniger Merkelianertum, heißt es im Landtag. "Eben mehr Lederhose und weniger Kostümchen mit Designer-Handtasche", wie ein Abgeordneter es bitterböse in Anspielung auf Hasselfeldts Kleidungsstil formuliert.

Hasselfeldt kann sich bald denen widmen, die sie für ihre politische Karriere im Dienste der CSU oft vernachlässigt hat: Ehemann, Kinder, Enkelkinder. Gemeinheiten von Männern kann sie dann hinter sich lassen. Viele wird sie wohl vergessen. Nur nicht den frechen Gast im Wirtshaus ihrer Eltern.

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