Ein dünner Gesprächsfaden zwischen Berlin und Moskau

St Petersburg · Für Deutsche und Russen ist es eine Rückkehr zu den Wurzeln - aber keine Rückkehr zur Normalität. Begleitet vom Streit über Aufrüstung und Sanktionen trifft sich das wichtige Diskussionsforum "Petersburger Dialog" 15 Jahre nach Gründung wieder in St. Petersburg . "Es gibt keine Alternative zum Gespräch", sagte der deutsche Delegationsleiter Ronald Pofalla gestern bei der Eröffnung der zweitägigen Veranstaltung in St. Petersburg . Vertreter der russischen Zivilgesellschaft klagten aber bereits gestern über Repressionen vonseiten der Führung in Moskau. Sie äußerten unter anderem Kritik an einem Gesetz, demzufolge sich Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mit Zuschüssen aus dem Ausland selbst als "ausländische Agenten" bezeichnen müssen.

Politiker und NGO-Aktivisten wollen heute in Arbeitsgruppen (AG) unter anderem über Menschenrechte und die Flüchtlingskrise sprechen, aber auch Themen wie Beutekunst. Der dünne Gesprächsfaden zwischen Berlin und Moskau soll fester geknüpft werden. Berlin hatte den Petersburger Dialog, der 2001 vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Präsident Wladimir Putin ins Leben gerufen wurde, vor zwei Jahren nach der Annexion der Krim durch Russland ausgesetzt. Inzwischen hat er mit Pofalla auch einen neuen Supervisor, der die heiklen Streitpunkte versteht und der russischen Seite nicht aus der Hand frisst.

Bestehende Kritik an der Art des Konvents wurde auf deutscher Seite in den zwei Jahren Auszeit vorsichtig aufgegriffen. Nun wurden auch NGOs eingebunden, die sich zwar durch ihre Nähe zu Russland, nicht aber zur Politik des Kreml hervortun. Deutsche Hörigkeit hatte dem Dialog die Glaubwürdigkeit genommen. Die russische Seite hat mit der Ernennung des Greenpeace-Vertreters immerhin einen Aktivisten als stellvertretenden Vorsitzenden in die AG Ökologische Modernisierung gesetzt. Dies gilt als Zugeständnis Russlands, das bislang vornehmlich Beamte schickte.

Gleichzeitig häufen sich jedoch Anzeichen, dass die russische Seite deutsche Initiativen zu bremsen versucht. So wurde ein Besuch der AG Zivilgesellschaft des Dialogs im Petersburger "Haus der NGOs" unterbunden. Pofalla soll sich nun mit diesen NGOs im Hotel der deutschen Delegation treffen.

Ein schwieriger Dialog dürfte es werden. Doch wird sich zeigen, ob Russland für ein fruchtbares Gespräch offen ist. Bislang wollte Moskau nur vom Westen als andersartig anerkannt werden: als ein Staat, der sich nicht an westliche Werte gebunden fühlt. Der Koordinator der AG Politik, Wjatscheslaw Nikonow, brachte die unterschiedliche Sichtweise bereits 2012 - vier Jahre nach dem Krieg gegen Georgien - sinngemäß so auf den Punkt: Seid ihr bereit, für Georgien in den Krieg zu ziehen? Nein - aber wir. Dies ließ sich auch als Aufkündigung des Dialogs verstehen.

Auch andere Formen des Diskurses haben in St. Petersburg derzeit einen schweren Stand. Soeben stellte die öffentliche Diskussionsreihe "Dialoge" in der St. Petersburger Majakowski-Bibliothek die Arbeit ein. Der Inlandsgeheimdienst FSB hatte das Bibliotheksbüro durchsucht und den Dialog-Veranstalter aufgefordert, seine Stelle selbst zu kündigen. Der intellektuelle Austausch war dem FSB offenbar ein Dorn im Auge. Der Veranstalter ging ins Exil - nach Lettland.

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