Ein Brandstifter führt das Löschkommando
Brüssel. Yves Leterme hat alles falsch gemacht, was man als Regierungschef falsch machen kann: Zwei Mal scheiterte er bei dem Versuch, nach seinem Wahlsieg 2007 eine Koalition für Belgien zu bilden. Zwei Mal reichte er seinen Rücktritt ein, ehe das Gesuch im Oktober vorigen Jahres angenommen wurde. Doch das alles war offenbar nicht genug
Brüssel. Yves Leterme hat alles falsch gemacht, was man als Regierungschef falsch machen kann: Zwei Mal scheiterte er bei dem Versuch, nach seinem Wahlsieg 2007 eine Koalition für Belgien zu bilden. Zwei Mal reichte er seinen Rücktritt ein, ehe das Gesuch im Oktober vorigen Jahres angenommen wurde. Doch das alles war offenbar nicht genug. Seit gestern darf der 49-jährige Chef der flämischen Christdemokraten wieder regieren. Zum Schrecken vieler Landsleute wurde Leterme erneut zum Premier des Zehn-Millionen-Volkes bestellt. "Wir haben keinen anderen, es ist eine schlechte Zeit, Belgien zu regieren", sagt Pascal Delwit, Politikprofessor an der Freien Universität Brüssel.Seine Rückkehr auf den Stuhl des Regierungschefs verdankt Leterme der EU. Die berief in der vorigen Woche seinen Nachfolger und Vorgänger Herman Van Rompuy zum ersten Ständigen Ratspräsidenten der Gemeinschaft. Dabei war es Van Rompuy, der nach Letermes letzter Pleite alles getan hatte, um dessen Verbleib im Amt zu verhindern.Tatsächlich leistet sich Belgien damit ein Stück aus dem Tollhaus. Leterme, Sohn eines französischsprachigen Vaters und einer flämischen Mutter, hatte die ohnehin fragile Sprachengemeinschaft nicht vorangebracht, im Gegenteil: Er belastete sie zusätzlich durch üble Beleidigungen. Mal hielt er den frankophonen Wallonen vor, sie seien intellektuell nicht in der Lage, Flämisch zu lernen. Dann wieder stimmte er auf die Frage eines Fernsehreporters, ob er die belgische Nationalhymne singen könne, die französische "Marseillaise" an. Mitten in der Bankenkrise wollte er die belgische Fortis-Bank an das französische Institut BNP Paribas verscherbeln, überging aber die Aktionäre, die daraufhin klagten. Kurz vor Bekanntgabe des Urteils wurden Versuche Letermes bekannt, Einfluss auf die Justiz zu nehmen. Das war dann selbst König Albert II. zu viel: Er schickte Leterme nach Hause - doch der kam prompt als Außenminister wieder zurück. Der spröde und humorlos wirkende Jurist, der im flämischen Ypern lebt, arbeitete bei der EU als Verwaltungsbeamter, ehe er 2007 seine Christdemokraten zum Wahlsieg führte. Dabei ging er eine unselige Allianz mit nationalistischen Kräften Flanderns ein, aus deren Umklammerung er sich nicht mehr befreien konnte. Und so blieb die seit Jahren ausstehende Staatsreform trotz höchstrichterlichen Auftrags unerledigt. Dabei geht es vor allem um die Zerschlagung des Wahlkreises Brüssel-Halle-Vilvoorde. Dort leben im Unterschied zu den anderen Landesteilen französisch- oder flämischsprachige Belgier eng zusammen und genießen Privilegien bei Wahlen. Im Alltag führt das zu heftigen Problemen: Drei frankophone Bürgermeister flämischer Gemeinden in der Region wurden nie im Amt bestätigt. Wahlplakate mit französischem Text dürfen in flämischen Stadtvierteln nicht aufgehängt werden. Leterme seinerseits legte umfassende Vorschläge für die Autonomie der Landesteile vor, anstatt sie zusammenzuführen. Nun soll der Gescheiterte also noch einmal ran. Medien und Öffentlichkeit befürchten nichts Gutes, zumal die Krise inzwischen auch Flandern heimsucht. Dort bangt man beispielsweise um das Opel-Werk in Antwerpen. Kein Wunder, dass es die Flamen nun noch mehr ärgert, wenn sie die ökonomisch brachliegende Wallonie weiterhin mit zehn Milliarden Transferleistungen pro Jahr am Leben erhalten müssen. Wie ausgerechnet Yves Leterme, der sich oft genug als Brandstifter betätigte, diesen Brand löschen soll, weiß niemand.