Ein Blankoscheck für die Öffentlich-Rechtlichen

Saarbrücken. Das Wunder von Dresden steht bevor: ARD und ZDF erhalten ihren Freibrief für Internet und digitales Fernsehen. Das Drehbuch für den Rundfunkstaatsvertrag ist fertig, in der sächsischen Bilderbuchstadt wollen die Ministerpräsidenten heute die Magna Charta des öffentlich-rechtlichen Rundfunks absegnen

Saarbrücken. Das Wunder von Dresden steht bevor: ARD und ZDF erhalten ihren Freibrief für Internet und digitales Fernsehen. Das Drehbuch für den Rundfunkstaatsvertrag ist fertig, in der sächsischen Bilderbuchstadt wollen die Ministerpräsidenten heute die Magna Charta des öffentlich-rechtlichen Rundfunks absegnen. Kurz vor Weihnachten soll das Regelwerk von den Länderchefs unterschrieben und bis Mai 2009 von den 16 Landtagen verabschiedet werden. Hinter den Kulissen haben die Staatskanzleien noch fleißig an den Details gearbeitet. Das Resultat ist ein bürokratisches Monstrum, das beispielsweise einen umständlichen "Drei-Stufen-Test" für Internet-Angebote einführt. In den Chefetagen von ARD und ZDF ist bereits der Champagner kaltgestellt: Der Vertrag ist ein Freibrief für die Online-Welt. So etwas wäre vor Jahren noch undenkbar gewesen.Künftig wird im Internet niemand mehr an ARD und ZDF vorbeikommen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk - mit opulenten Einnahmen von rund acht Milliarden Euro im Rücken - wird das Netz grundlegend verändern. Eine wirtschaftlich sinnvolle Entwicklung des Internet ist unter diesen Umständen nur noch eingeschränkt möglich. Denn im Gegensatz zu den Privaten müssen sich die Unterhaltungs-, Informations- und Sportangebote von ARD und ZDF nicht über Werbung finanzieren. Sie beschädigen somit den Wettbewerb im Netz nachhaltig. Den Ministerpräsidenten ist dies durchaus bewusst. Doch ihnen ist mal wieder das Hemd näher als die Weste: Die ARD-Sender in den Ländern sind fester Teil des politischen Machtgefüges, sie bilden im Gegensatz zur privaten Konkurrenz die dringend benötigte Bühne für die Länderchefs. Gerade in politisch unruhigen Zeiten können sie sich auf ARD und ZDF verlassen. Die schärfste Kritik an öffentlich-rechtlicher Selbstbedienung kam jahrelang von der CSU. Doch seit dem herben Machtverlust im Freistaat ist auch die letzte Fürsprecherin der privaten Sendergruppen verstummt.An der unglaublichen Renaissance von ARD und ZDF tragen auch RTL und Prosieben-Sat.1 Mitverantwortung. Sie haben sich in den vergangenen Jahren viel zu wenig in den Streit um die Qualität im Fernsehen eingemischt, weil die Vorstände mit Renditen und Schuldenbergen beschäftigt waren. Viele Manager der Privaten glauben immer noch, der massive Ausbau des Online-Angebots von ARD und ZDF werde vor allem Zeitungen und Zeitschriften treffen. Sie irren. Natürlich erwächst der Print-Branche dadurch eine gefährliche Konkurrenz. Doch der Schwerpunkt der öffentlich-rechtlichen Internet-Präsenz liegt auf Unterhaltung. Und genau dort treffen ARD und ZDF die Boulevard-Angebote von RTL und Prosieben-Sat.1. Ein Trostpflaster für die Privaten gibt es trotzdem: Sie dürfen mit der ARD weiter gute Geschäfte machen. So verkauft die ARD-Rechtefirma Telepool auf dem internationalen Markt die Serien und Filme von RTL. Und wenn die Fernsehtochter des Medienriesen Bertelsmann die von der ARD-Tochter Studio Hamburg produzierte Serie "Die Anwälte" mangels Quote kurzfristig aus dem Programm nimmt, steht die ARD als dankbarer Käufer bereit. Ein schlechter Deal für das Erste: Die Serie erreichte diese Woche nur einen Marktanteil von rund neun Prozent. RTL schaffte derweil mit einem Ratespiel mehr als 22 Prozent. RTL hat das Geld und die Quote - die ARD hat die Qualität, die allerdings nur wenige sehen. So einfach funktioniert Fernsehen in Deutschland.

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