Ein betrübter Papst kehrt die Scherben auf

Rom. Die "Feindseligkeit", die ihm aus seiner Kirche entgegengeschlagen ist, betrübt den Papst. Doch für Benedikt XVI. hat das Ringen um die Einheit der Katholiken weiterhin Vorrang

Rom. Die "Feindseligkeit", die ihm aus seiner Kirche entgegengeschlagen ist, betrübt den Papst. Doch für Benedikt XVI. hat das Ringen um die Einheit der Katholiken weiterhin Vorrang. Auf vier Seiten erklärt Joseph Ratzinger jetzt ungewöhnlich freimütig den Bischöfen in aller Welt, wie es aus seiner Sicht zu den "Pannen" um den Holocaust-Leugner Richard Williamson gekommen war. Das sehr persönlich gehaltene Schreiben des Pontifex wurde gestern im Vatikan veröffentlicht.Benedikt führt aus, warum die vier Bischöfe der erzkonservativen Pius-Bruderschaft auch nach der Aufhebung ihrer Exkommunikation "keine rechtmäßigen Ämter in der Kirche ausüben". Dabei rügt er überraschend offen diejenigen Katholiken, die in der Affäre eine Chance gesehen hätten, an ihm Kritik zu üben. Und lobt im gleichen Atemzug die versöhnliche jüdische Haltung: Die "jüdischen Freunde" hätten geholfen, das "Missverständnis" um den Holocaust-Leugner "schnell aus der Welt zu schaffen".Es ist ein mutiger, aber notwendiger Schritt, dass Benedikt ganz offen "Pannen" eingesteht, was die Mediennutzung des Vatikans angeht und die unzureichende Erklärung der Vorgänge um die Pius-Brüder. Er hat erkannt, dass die "Williamson-Affäre" seine päpstliche Autorität nachhaltig zu untergraben drohte. Nahezu demütig erklärt der Heilige Vater lang und breit, was es mit der Wiederannäherung an die vier Exkommunizierten auf sich hat. Und warum das sein musste. Als Petrusnachfolger obliege ihm schlichtweg diese oberste Aufgabe: "Du aber stärke deine Brüder." Der Papst nimmt also die umstrittene, für die Traditionalisten zuständige Kommission "Ecclesia Dei" an die Leine. Das ist ein erster Schritt. Benedikt bedauert den durch den Fall Williamson "gestörten Frieden" zwischen Christen und Juden wie auch innerhalb der eigenen Kirche. Von "Hass" ist die Rede, auch von mangelnder Toleranz. Lange hatte er nicht mehr einen so heftigen Streit erlebt, eine solche "Lawine von Protesten". Dabei vermisste Benedikt den Willen zur Versöhnung auch "Vertretern einer radikalen Randgruppe" gegenüber: Wir sind also auch nicht besser als jene Galater, die der Heilige Paulus vor dem "Beißen und Zerreißen" gewarnt hatte - für den Papst ist das ein "Ausdruck falsch verstandener Freiheit". Nachdem Williamson und seine Mit-Brüder wochenlang den Kirchenführer selbst ins Rampenlicht der Kritik gezogen hatten, weil Benedikt die Einheit seiner Kirche am rechten Rand so wichtig zu sein schien, geht der Papst jetzt also in die Vorwärtsverteidigung. Nicht nur Traurigkeit, sondern auch Kampfeswille scheint durch, wenn er von jenen Katholiken spricht, "die es eigentlich besser wissen konnten" und ihn trotzdem "sprungbereit" wegen seiner Versöhnungspolitik attackierten. Joseph Ratzinger sieht die Gegenwart ziemlich pessimistisch, weil "der Glaube in weiten Teilen der Welt zu verlöschen droht wie eine Flamme, die keine Nahrung mehr findet". Orientierungslosigkeit ist sein Stichwort. Und da muss der Papst die Herde zusammenhalten. Vatikan-Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone formuliert es so: "Jeder kann seinen Platz haben, wir schließen keine Kraft aus unserer Kirche aus." Mit Blick auf die Pius-Brüder heißt das aber auch, dass sie das Zweite Vatikanische Konzil samt der Reformen und der Öffnung hin zu anderen Religionen anerkennen müssen. Dies dürfte das "wesentliche doktrinelle Problem" sein, das der Vatikan immer noch klären muss.

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