Eher ein neuer Aufstand als Frieden in Nahost

Jerusalem · Die neuen Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern haben seit August keinerlei Annäherung gebracht, eher im Gegenteil: Beide Seiten sind weiter voneinander entfernt als zuvor. So sieht es zumindest der ehemalige palästinensische Verhandlungsdelegierte Mohammad Shtayyeh.

Die Regierung in Jerusalem habe bereits die Glaubwürdigkeit des palästinensischen Verhandlungsteams in den Augen der Öffentlichkeit Palästinas untergraben. Und zwar, indem sie das Signal einer großen Amnestie palästinensischer Häftlinge durch den massiven Wohnungsbau für Siedler im Westjordanland quasi ausglich.

Immer wieder läuft US-Außenminister John Kerry, der bei den Gesprächen als diplomatischer Katalysator agiert, auf beiden Seiten, auch bei den Palästinensern, gegen eine Mauer. Noch gut vier Monate bleiben dem vom Weißen Haus gesandten Chefdiplomaten für den Frieden im Nahen Osten. Ende April läuft die festgelegte Frist aus. Was ihn bei seinen Anstrengungen überhaupt noch bei der Stange hielte, fragte ein Reporter jüngst, und Kerry begründete seinen Optimismus damit, dass "beide Seiten und die gesamte Region durch einen Frieden enorme Vorteile erreichen können". Bei den Israelis scheint aber noch immer die Vorstellung zu überwiegen, durch Aussitzen des Problems am Ende mehr zu erreichen. Und auch die Palästinenser sind nicht zu Kompromissen zu bewegen. Ihr Verhandlungsteam unter der Leitung von Saeb Erikat sagt nein zur fortgesetzten, aber befristeten Stationierung israelischer Truppen im Jordantal und nein zur Anerkennung Israels als jüdischer Staat. Mit der Definition "ein Staat für die Juden", hätten die Palästinenser keine Probleme, sagt Shtayyeh. Ein "jüdischer Staat" sei jedoch "fundamental unterschiedlich". Er erschwere die Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge.

Für Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu würde hingegen die Anerkennung des jüdischen Staates durch die Palästinenser ein Ende des Konflikts markieren und sei deshalb unverzichtbar. So läuft der Dialog in eine Sackgasse, bevor konkrete Lösungsmodelle, wie der Grenzverlauf, Jerusalem und die Siedlungen, überhaupt angesprochen werden. Dennoch hält Verhandlungsführer Saeb Erikat eine Grundsatzvereinbarung über Gebietsaustausch, Sicherheitsfragen, Jerusalem und die Rechte palästinensischer Flüchtlinge vor Ablauf der Frist für möglich. Sechs bis zwölf Monate später könnte kann ein umfassender Friedensvertrag formuliert werden. Ähnlich wie Kerry fürchtet Erikat jedoch die Ankündigung neuer israelischer Wohnbauprojekte im besetzten Palästina.

Wenn die Verhandlungen nicht vorankommen, sehen Beobachter schon eine dritte Intifada am Horizont, einen Aufstand im Westjordanland. Auch eine Renaissance der Hamas im Westjordanland ist möglich, wo bislang die gemäßigtere Fatah herrscht.

Neue Gewalt ist absehbar. Gleichzeitig wächst der Druck aus dem Ausland, nicht nur aus den USA. Mit Zuckerbrot und Peitsche hält die EU Israel dazu an, von neuen Siedlungsprojekten abzulassen. Jerusalem werde für ein Scheitern der Verhandlungen verantwortlich gemacht, mahnten die Politiker in Brüssel. Umgekehrt könne Israel mit einem "noch nicht da gewesenen Paket an europäischer politischer, ökonomischer und Sicherheitsunterstützung" rechnen.

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