Edmund Stoiber und das Erbe der Königsmörder

München. Es ist erst fünf Jahre her. Alle Protagonisten von damals leben noch. Und doch streitet die CSU dieser Tage über die Umstände des Rückzugs von Edmund Stoiber, als wäre es ein Ereignis aus so fernen Zeiten, dass nur Historiker die genauen Umstände aufklären können

München. Es ist erst fünf Jahre her. Alle Protagonisten von damals leben noch. Und doch streitet die CSU dieser Tage über die Umstände des Rückzugs von Edmund Stoiber, als wäre es ein Ereignis aus so fernen Zeiten, dass nur Historiker die genauen Umstände aufklären können. Wurde Stoiber - wie Horst Seehofer behauptet - in Wildbad Kreuth gestürzt? Oder war es ein freiwilliger Rücktritt, wie es Erwin Huber und Günther Beckstein darstellen? Die Leidenschaft, mit der gestritten wird, zeigt vor allem: Die Wunden des 18. Januar 2007 sind noch immer nicht verheilt.Diese Woche tagt wieder die CSU-Landtagsfraktion in Kreuth, 92 Abgeordnete sitzen dort beisammen. Vor fünf Jahren waren es noch 124 CSU-Parlamentarier, die sich in Kreuth die Köpfe heiß redeten - wegen Stoiber. Der Verlust von 32 Mandaten ist das äußere Zeichen dafür, dass nach der denkwürdigen Klausur von 2007 vieles falsch lief in der CSU. In der Folge verlor sie bei der Landtagswahl 2008 nach über 40 Jahren die absolute Mehrheit.

Kein Wunder, dass für diese historische Pleite niemand die Verantwortung haben will. So tun Erwin Huber und Günther Beckstein derzeit alles dafür, um ihre Schuld kleinzureden. Huber war bei der Wahl CSU-Chef, Beckstein Ministerpräsident - sie übernahmen im Herbst 2007 das Ruder, nachdem Stoiber fast neun Monate nach der Rücktrittsankündigung seine Ämter endlich aufgegeben hatte.

Die Gründe dafür scheinen heute schon fast vergessen: Zuerst hatte Stoiber sich und die CSU nach der Bundestagswahl 2005 mit seinem spontanen Rückzug von der Aufgabe als Super-Bundeswirtschaftsminister zum Gespött gemacht. Hinzu kam die Spitzelaffäre um Gabriele Pauli - Stoibers Bürochef hatte das Privatleben der streitbaren Fürther Landrätin ausspioniert. In Kreuth machte Stoiber dann den womöglich größten Fehler: Er kündigte an, bis 2013 Ministerpräsident bleiben zu wollen. Die Fraktion, die auf seinen schnellen Rückzug nach einem Wahlsieg spekuliert hatte, geriet in Aufruhr.

Huber ruft in der "Süddeutschen Zeitung" die damalige Gemengelage in Erinnerung: Die Opposition habe 2007 über eine Volksabstimmung Neuwahlen erzwingen wollen. Viele in der CSU hätten dies als aussichtsreich empfunden und ihre Partei danach in der Opposition gesehen, sagt Huber heute. Doch es kam nicht dazu, er und Beckstein mussten die Wahlniederlage 2008 allein verantworten - und die Hintergründe geraten inzwischen bereits in Vergessenheit.

Allen voran bei Horst Seehofer. Kurz nachdem er das Duo Beckstein-Huber abgelöst hatte, grenzte er sich selbst scharf von Stoiber ab. Ihm lastete er vor allem das Milliardendesaster bei der Bayerischen Landesbank an. Doch nicht zuletzt wegen der schlechten Umfragewerte für die CSU schwenkte Seehofer inzwischen um. Das noch immer große Wählerpotenzial der treuen Stoiber-Anhänger will er nutzen. Und so lobt er immer wieder den strikten Sparkurs des Ex-Regierungchefs, der Bayern heute wieder Spielräume für Investitionen gebe. Im kommenden Landtagswahlkampf soll Stoiber voll eingebunden werden. "Seine Bedeutung für die Partei reicht weit in die heutige Zeit und in die Zukunft hinein", schwärmt CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Von einem Erbe Hubers oder Becksteins spricht in der CSU niemand - es scheint, als hätten Stoibers einst treueste Minister endgültig den schwarzen Peter für das Klausur-Fiasko von 2007 zugeschustert bekommen.

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