Zum Urteil im Prozess gegen den Inzest-Täter Josef Fritzl schreibt die in Weiden erscheinende Zeitung "Der neue Tag": Die österreichische Justiz hat kurzen Prozess gemacht. Und sie hat die Opfer in dem erschütternden Fall bislang vorbildlich vor der Öffen

Zum Urteil im Prozess gegen den Inzest-Täter Josef Fritzl schreibt die in Weiden erscheinende Zeitung "Der neue Tag": Die österreichische Justiz hat kurzen Prozess gemacht. Und sie hat die Opfer in dem erschütternden Fall bislang vorbildlich vor der Öffentlichkeit geschützt

Zum Urteil im Prozess gegen den Inzest-Täter Josef Fritzl schreibt die in Weiden erscheinende Zeitung "Der neue Tag": Die österreichische Justiz hat kurzen Prozess gemacht. Und sie hat die Opfer in dem erschütternden Fall bislang vorbildlich vor der Öffentlichkeit geschützt. Eine weltweite Justizschelte wie im Skandalprozess um die Gletscherbahntragödie von Kaprun haben die Richter verhindert. Österreich sehnt sich nach Ruhe, nach einem Stopp der Negativ-Schlagzeilen. Und nach einem Ende der Frage, ob die Kultur des Wegsehens vor allem im kleinstädtischen Provinz-Mief der Alpenrepublik blüht. Die Münchner "Abendzeitung" kritisiert das kurze Verfahren: Dreieinhalb Prozesstage für die Aufarbeitung einer über Jahrzehnte fortgesetzten Untat, ein paar Stunden nur für die Erörterung unvorstellbarer Verbrechen. Dass das Gericht den Prozess so heruntergespult hat, kann in Österreich missverstanden werden als Signal für einen Schlussstrich - zumal in diesem kleinen Land, das seine dunklen Kapitel gerne vergisst, das schnell wegschaut. Was also ist das Signal aus dem Prozess gegen F.? Hoffentlich dieses: Gesellschaft und Behörden sollten künftig genauer hinsehen, was in der Nachbarschaft passiert. In Österreich und anderswo. Ganz ähnlich kommentiert die Karlsruher Zeitung "Badische Neueste Nachrichten": Ihm bleibe nur noch, meinte der Chef des niederösterreichischen Landeskriminalamts, unter die schaurige Tat einen Schlussstrich zu ziehen. Schlussstrich - das entspricht auch exakt der Stimmungslage der Mehrheit der Österreicher, die den Jahrhundertprozess eher desinteressiert verfolgte. Zu vertraut ist die Gewalt in vielen Familien, der autoritäre Haustyrann, vor dem sich alle ducken. Lehren und Konsequenzen aus dem Fall Fritzl? Brauch ma net. Einfach Schlussstrich. Die "Kieler Nachrichten" bieten einen tröstlichen Ausblick an: Fälle wie der des Josef Fritz sind Ausnahmen, von Kameras bis in den hintersten Winkel ausgeleuchtet, vom Boulevard bis ins grausigste Detail beschrieben. Die Frau, die ihren dementen Mann pflegt, der Arzt, der im OP Leben rettet, der Seelsorger, der Sterbende tröstet: Sie stehen nicht im Blitzlichtgewitter. Aber sie sind der Beweis, dass die Welt nicht nur schlecht ist. Es gibt keinen Grund, an der Menschheit zu verzweifeln - trotz Josef Fritzl.

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