Diplomatische Pleite in nobler Kulisse

Lausanne · Die Sonne schien über die Alpen und spiegelte sich im Genfer See sowie auf der fahnengeschmückten Fassade des Hotels Beau-Rivage Palace. Die prächtige Kulisse in Lausanne wirkte fast wie Hohn gemessen an den Grausamkeiten in Syrien, über die hinter den Fenstern der Nobelherberge verhandelt wurde. Dem Krieg sind innerhalb von fünf Jahren mehr als 400 000 Menschen zum Opfer gefallen. Am Wochenende versuchte es US-Außenminister John Kerry einmal mehr mit Diplomatie auf neutralem Schweizer Boden. Doch dem 72-Jährigen und seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow , den wohl bekanntesten Außenministern der Welt, gelang kein Durchbruch.

Nach knapp fünf Stunden gingen die Beratungen ohne Einigung auf eine Waffenruhe zu Ende. Immerhin habe man sich dafür ausgesprochen, dass "der politische Prozess" für eine Beendigung des Syrien-Krieges "so bald wie möglich beginnen soll", sagte Lawrow. Es seien auch einige Ideen von Ländern besprochen worden, die "wirklich Einfluss auf die Situation haben".

Über die "neuen Ideen" informierte Kerry gestern Regierungsvertreter von Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Am Abend hieß es aus dem Bundesaußenministerium, die Verhandlungen zur Lösung der Syrien-Krise würden Anfang dieser Woche fortgesetzt. Ob sie am Ende auch zu einer Wiederannäherung zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml führen, bleibt abzuwarten. Doch Skepsis scheint angebracht: Immer stärker sind die USA und Russland zuletzt auseinandergedriftet. Russlands Präsident Wladimir Putin baute die militärische Unterstützung für seinen syrischen Verbündeten, Präsident Baschar al-Assad , weiter aus. Offen geben die USA den Russen eine Mitschuld an Kriegsverbrechen der syrischen Luftwaffe bei deren gnadenlosen Bombardements von Aleppo. Zudem droht die US-Regierung mit Cyber-Attacken, um Putin wegen angeblicher illegaler Machenschaften bloßzustellen - eine Revanche für mutmaßliche Moskauer Versuche der Manipulation des US-Wahlkampfs.

Angesichts solcher Signale werten es Diplomaten als "gutes Zeichen", dass in Lausanne immerhin der Auftakt zu Syrien-Gesprächen gelungen sei. Auch die Türkei, Saudi-Arabien, Katar und der mit Assad verbündete Iran waren bei dem Gipfel mit an Bord. Kerry allerdings war der Ruf vorausgeeilt, er habe kaum Spielraum. In "privaten Gesprächen" klagte der Minister nach Angaben der "New York Times", seine Bemühungen um eine Lösung für Syrien seien "nicht untermauert durch eine glaubwürdige Androhung von Gewalt", um Assad ein Ende der Kampfhandlungen aufzuzwingen.

Obama überprüfe alle Optionen im Syrien-Krieg, erklärten US-Beamte. Dass er eine weitergehende militärische Intervention - etwa Angriffe auf syrische Kampfflugzeuge - ernsthaft in Erwägung zieht, gilt jedoch als unwahrscheinlich. Das sieht wohl auch Moskau so. Angeblich übermittelten US-Agenten dem Weißen Haus die Einschätzung, der Kreml wolle Assad während der letzten Monate von Obamas Amtszeit bei der vollständigen Eroberung Aleppos helfen. Erst mit dessen Nachfolger wolle Putin wieder ernsthaft über Syrien verhandeln - und bis dahin seine Position weiter stärken.

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