Die Wohlfühl-Koalition

Das Land fühlt sich wohl mit der großen Koalition. Anders kann die Bilanz zu Beginn der ersten Sommerpause seit ihrer Bildung im vergangenen Dezember nicht ausfallen.

Welch ein Kontrast zum schwarz-gelben Elend davor. Keiner vermisst die FDP . Sie steht nun unmittelbarer vor dem Verlust ihrer Existenz.

Die Zufriedenheit mit der Koalition zeigt sich auch darin, dass die Leute heute wieder fast genauso wählen würden wie im September. Sehr zum Leidwesen der SPD , die zwar viele Fleißpünktchen gesammelt und sich innerlich deutlich stabilisiert hat, aber noch immer nicht mehr Zustimmung erringt. Das liegt freilich hauptsächlich an der persönlichen Übermacht Angela Merkels, nicht an der Überzeugungskraft der CDU . Erst recht nicht der der CSU . Geht Merkel, und das wird bald zum Thema werden, dann geraten die Verhältnisse ins Tanzen.

Aus drei Elementen speist sich der Wohlfühlfaktor mit dieser Regierung. Erstens aus der Professionalität, mit der Union und SPD agieren, woraus sich auch ein hohes Tempo der Entscheidungen ergeben hat. Rentenpaket, EEG-Reform, Mindestlohn , die schwarze Null im Bundeshaushalt . So ging es fast im Wochentakt. Die Leute wollen keinen Streit da oben, sie wollen, dass es funktioniert.

Zweitens aus dem Umgang mit externen Krisen , allen voran der Ukraine-Krise, aber auch der Euro-Krise. Man fühlt sich bei Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier in unruhigen Zeiten sehr gut aufgehoben.

Der dritte Faktor ist die Schwäche der Opposition. Es gibt derzeit keine attraktive Alternative zur großen Koalition; im Gegenteil, fast jede andere Variante wirkt angesichts des Personals (Grüne) oder der Positionen (Linke) geradezu gruselig.

Der allgemeinen Zufriedenheit entspricht die reale Leistung der Regierung allerdings nicht. Eher ähnelt die Politik einer Garküche am Straßenrand. Man bekommt von fleißigen Köchen schnell etwas Sättigendes, aber selten etwas wirklich Gutes. Der Strommarkt ist eher noch verrückter (und riskanter) geworden, das Rentenpaket ist nicht generationengerecht, überfällige Korrekturen am Steuersystem sind verschoben. Nur der Mindestlohn sticht bislang als tatsächliche historische Weichenstellung heraus.

Die wirklichen Herausforderungen liegen noch vor der Regierung: Eine digitale Agenda, die Deutschland und Europa konkurrenzfähig macht, die Bewältigung des demografischen Wandels, eine Neuordnung des lähmenden Finanzgeflechts zwischen Bund und Ländern, inklusive einer dauerhaften Verbesserung der Bildungsfinanzierung . Wenn die große Koalition das alles nach der Sommerpause nicht angeht und bis 2017 löst, war sie ihre 80-prozentige Mehrheit letztlich nicht wert.

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