Die unmögliche Mission hat das erste Jahr überdauert

Düsseldorf. Risiken und Nebenwirkungen waren eingeplant, als Nordrhein-Westfalens Regierungschefin Hannelore Kraft (SPD) vor einem Jahr ihr Experiment wagte. Mit einer rot-grünen Minderheitsregierung rumpelt die Chefin des größten SPD- Landesverbandes seither über die holprigen Pfade eines Fünf-Parteien-Parlaments

Düsseldorf. Risiken und Nebenwirkungen waren eingeplant, als Nordrhein-Westfalens Regierungschefin Hannelore Kraft (SPD) vor einem Jahr ihr Experiment wagte. Mit einer rot-grünen Minderheitsregierung rumpelt die Chefin des größten SPD- Landesverbandes seither über die holprigen Pfade eines Fünf-Parteien-Parlaments. Ein Aushängeschild mit Vorbildcharakter für andere Länder oder den Bund ist das Modell bislang nicht.Zur eigenen Mehrheit fehlt Rot-Grün im Düsseldorfer Landtag eine Stimme. Das Bündnis aus SPD und Grünen bleibt deshalb in den meisten Fragen darauf angewiesen, dass sich die kleine Linksfraktion bei Gesetzesvorhaben zumindest enthält. Das klappt oft, aber nicht immer. Bei CDU und FDP beißt die Koalition ohnehin meist auf Granit.

Kurz vor dem Regierungsjubiläum fuhr Kraft im Landtag ihre erste Abstimmungsniederlage ein - ausgerechnet bei einer Entscheidung über die Zukunft der maroden Landesbank West-LB, einer mit Milliardenrisiken behafteten Schicksalsfrage für die Steuerzahler. Trotz peinlicher parlamentarischer Winkelzüge verlor Rot-Grün im ersten Anlauf die Abstimmung. Auf den letzten Drücker rangen sich SPD, Grüne und CDU dann doch zu einem Minimalkonsens durch. Das Klima ist seither allerdings vergiftet, die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD musste nach dem Debakel ihren Hut nehmen.

Trotz immer mal wieder aufkeimender Spekulationen ist eine Neuwahl aber keine realistische Option. Angesichts mauer Umfragewerte und der Angst vor einem Wähler-Boykott will vorerst kein Lager diese letzte Karte ausspielen. Eine Auflösung des Parlaments wollen die Parteien erst dann anstreben, wenn der rot-grüne Karren festgefahren ist. Diese Frage stellt sich aber vor jedem wesentlichen Reformvorhaben und in allen Haushaltsberatungen. Als nächstes muss die Koalition eine Mehrheit für ein neues Schulgesetz finden, um die Gemeinschaftsschule und damit ein zentrales Wahlkampfversprechen zu verwirklichen. Außerdem will Rot-Grün ein beitragsfreies Kindergarten-Jahr einführen. Ob weitere Gratis-Jahre bezahlbar sind, darüber sind die Partner allerdings noch uneins.

Kraft lässt sich trotz aller Probleme nicht beirren. "Ich bin stolz auf das, was wir auf den Weg gebracht haben", versichert die Ministerpräsidentin. "Vieles im Koalitionsvertrag ist umgesetzt." Tatsächlich drehte Rot-Grün viele Reformen der schwarz- gelben Vorgängerregierung von Jürgen Rüttgers (CDU) zurück, etwa Studiengebühren und Kopfnoten auf Zeugnissen. Die Rote Karte gab es aber vom Landesverfassungsgericht, das die geplante Rekord- Neuverschuldung untersagte. Auf der Minus-Seite muss Kraft auch negative Schlagzeilen verbuchen, für die SPD-Minister verantwortlich sind - darunter eine Atommüll-Affäre, die nach der Sommerpause einen Untersuchungsausschuss des Landtags beschäftigen wird.

"Die rot-grüne Regierung taumelt wie ein angeschlagener Boxer durch den Ring", bilanziert Gerhard Papke, der die FDP-Landtagsfraktion führt. Und der CDU-Fraktionsvorsitzende Karl-Josef Laumann prophezeit: "Sie wird weiter von Problem zu Problem stolpern." CDU und FDP haben allerdings ihrerseits ein Problem: Die Chefs der Landesparteien, Bundesumweltminister Norbert Röttgen und Gesundheitsminister Daniel Bahr, sind in Düsseldorf kaum präsent.

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