Die umworbene Jugend
Meinung · Jahrelang konnten Jugendliche froh sein, wenn sie überhaupt eine Chance auf einen Ausbildungsplatz bekamen. Und selbst die Berufsberater der Arbeitsämter wurden nicht müde, wegen des Konkurrenzkampfs um die begehrten Lehrstellen immer denselben Satz vorauszuschicken: Legt euch bloß nicht fest auf den Traumberuf
Jahrelang konnten Jugendliche froh sein, wenn sie überhaupt eine Chance auf einen Ausbildungsplatz bekamen. Und selbst die Berufsberater der Arbeitsämter wurden nicht müde, wegen des Konkurrenzkampfs um die begehrten Lehrstellen immer denselben Satz vorauszuschicken: Legt euch bloß nicht fest auf den Traumberuf. Die jungen Leute mussten flexibel sein, auch eine weniger attraktive Lehre akzeptieren.Wer jetzt auf die Suche nach einer beruflichen Perspektive geht, wird mit völlig veränderten Verhältnissen konfrontiert. Zwar rollen die Unternehmen (noch) nicht den roten Teppich aus, wenn sich Interessenten melden. Aber der Kampf um die besten Nachwuchskräfte hat begonnen. Eine Folge der rückläufigen Bevölkerungszahlen, die jetzt voll durchschlägt und sich in den kommenden Jahren weiter zu Gunsten der Lehrstellen-Bewerber bemerkbar machen wird. Was gleichzeitig eine starke Veränderung der Rahmenbedingungen mit sich bringt. Denn die Unternehmen werden künftig selbst erheblich mehr dafür tun müssen, für junge Menschen möglichst interessant zu sein.Das beginnt - intern und nach außen - mit der Entwicklung einer neuen Unternehmenskultur. So gilt es, erfolgreich darzustellen, was ein Betrieb für seine Mitarbeiter tut. Nicht umgekehrt. Gibt es beispielsweise attraktive und regelmäßige Fortbildungsangebote? Wie steht es um die Aufstiegs-Chancen? Ist die Bezahlung attraktiv genug, um mittelfristig eine Familie gründen und in der Region bleiben zu können? Gibt es eine Kindertagesstätte, zumindest in größeren Firmen, um die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht zu einem Lippenbekenntnis verkommen zu lassen? Dies alles sind Kriterien, an denen man eine kluge Zukunftsplanung in Unternehmen schon beim Vorstellungsgespräch ablesen kann.Viele Firmen müssen sich, sofern nicht schon geschehen, auch in einem anderen Punkt deutlich stärker positionieren: Es kann nicht nur Sache der Bildungspolitik sein, Lern- und Qualifizierungs-Schwächen von Jugendlichen für eine Ausbildung, eine Beschäftigung oder einen späteren Karriereweg auszugleichen. Die Betriebe müssen selbst mehr Bildungs-Angebote bereit halten: von Kursen in Mathematik und Rechtschreibung über Kenntnissen in der Rhetorik bis zu korrektem Auftreten und gepflegter Kommunikation.Zugleich müssen auch die Jugendlichen selbst deutlich mehr Zeit in die eigene Weiterbildung investieren. Denn die Herausforderungen an den Märkten für die Betriebe und ihre Mitarbeiter nehmen zu, der Kampf um Kunden wird härter. Da ist jeder Einzelne mit vollem Einsatz gefragt, um seinen Arbeitsplatz zukunftsfest zu machen.