Die Suche nach dem Klügeren

Eine Zwickmühle ist eine Zwickmühle und verschwindet nicht dadurch, dass man einen Dritten mit der Lösung beauftragt. Oder zwei. Die angerufene Schlichtung im Tarifkonflikt der Lokführergewerkschaft GDL mit der Bahn lässt Deutschland zwar erst einmal aufatmen, doch erledigt ist die Auseinandersetzung damit nicht.

Es bleibt im Kern ein Tarifstreit zwischen zwei Gewerkschaften, die sich gegenseitig Mitglieder mit unterschiedlich guten Tarifverträgen abwerben wollen, und der Bahn, die genau das verhindern will.

Ein solcher prinzipieller Konflikt lässt sich durch einen rücksichtslosen Ermüdungskampf auflösen, den hatte man bereits angefangen. Oder aber, indem eine der drei Seiten irgendwie nachgibt. Wer ist der Klügere? Die Bahn scheint es nicht zu sein, sie beharrte gestern auf ihrem Standpunkt: keine zwei Tarife für ein- und dieselbe Berufsgruppe. Die GDL ebenfalls nicht, sie will einen eigenen Tarifvertrag auch fürs Zugpersonal. Und die große Eisenbahnergewerkschaft EVG? Sie will der Konkurrenz nicht den Triumph überlassen, die wahre Tariflokomotive für die bisher bei ihr organisierten Zugbegleiter zu sein, und droht deshalb ihrerseits mit Warnstreiks. Nun kommt das Ungemach also von dieser Seite.

Allerdings, es gibt einen Lichtschimmer: Die EVG will ihre laufenden Tarifverhandlungen mit der Bahn nur dann abschließen, wenn ein späteres, womöglich besseres Ergebnis aus der Schlichtung zwischen GDL und Bahn auf ihre eigenen Mitglieder übertragen wird. In dieser Forderung, die zunächst wie eine Zumutung erscheint, könnte ein Ausweg liegen. Denn wenn man so vorginge, hätte die Bahn unterm Strich ihr Ziel erreicht - ein einheitliches Niveau für alle. Allerdings zu höheren Kosten, als sie wollte. Die GDL könnte dann einen eigenen, von ihr ausgehandelten Vertrag auch für das Zugpersonal vorweisen. Und die EVG hätte ebenfalls etwas für ihre Leute erreicht. Bei einem solchen Ende der Auseinandersetzung könnte GDL-Chef Claus Weselsky zwar ein wenig lauter jubeln als die anderen, doch dürften die sich damit trösten, dass es wahrscheinlich sein letzter Jubel wäre. Denn falls das Tarifeinheitsgesetz, das der Bundestag heute beschließt, tatsächlich am 1. Juli in Kraft tritt und vor dem Verfassungsgericht Bestand hat, gilt für künftige Konflikte: In jedem Betrieb gibt die jeweils größere Gewerkschaft den Takt vor. Das wird in der Regel nicht die GDL sein.

Es wird noch kompliziert werden, den Tarifstreit bei der Bahn wirklich zu beenden, weil so viele Beteiligte ihr Gesicht wahren müssen. Auch unter diesem Gesichtspunkt wäre es besser gewesen, wenn der Schlichter Bodo Ramelow gestern geschwiegen hätte, statt sich auf Seiten der GDL zur Partei machen. Leute, die sich profilieren wollen, gibt es in diesem Konflikt wahrlich schon genug.

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