Die Stimme der Verängstigten

Schon am Abend des 13. November war klar, dass in Frankreich nichts mehr so sein würde wie vorher. Dass sich nicht nur das Leben der Franzosen ändern würde, sondern auch das Gesicht des Landes. Wie dieses neue Frankreich aussehen wird, zeigt sich mit den gestrigen Regionalwahlen: Es ist ein Land, das zutiefst verunsichert ist, das Angst hat.

Und in dieser Angst wendet sich rund ein Drittel der Wähler einer Partei zu, die auf Nationalismus und Sicherheit setzt. Der rechtspopulistische Front National (FN) wurde gestern landesweit stärkste Kraft - wie schon bei den Europawahlen im vergangenen Jahr. Und ganz gleich, wie viele der 13 Regionen die Partei von Marine Le Pen nach den kommenden Stichwahlen regieren wird - gewonnen hat sie schon jetzt. Denn die Tochter von Parteigründer Jean-Marie Le Pen hat die Themen gesetzt in diesem Wahlkampf, auch für die kommenden Jahre.

Ihr Hauptanliegen, die Sicherheit, bekam nach dem Terror des 13. November schlagartig nationale Priorität. Und was Präsident François Hollande in aller Eile umsetzte, entsprach den jahrelangen Forderungen des Front National - von der Aufstockung der Sicherheitskräfte bis zur Wiedereinführung der Grenzkontrollen. Auch für die kommenden Monate muss sich der Staatschef aus dem Werkzeugkasten der Rechtspopulisten bedienen: die Aberkennung der Staatsbürgerschaft für Franzosen mit doppelter Nationalität und die Ausweisung von Hasspredigern stehen dann auf dem Programm. Le Pens Kampf gegen den Islamismus ist zu dem der Regierung geworden. Dabei geht es dem FN gar nicht mehr um die Attentäter, sondern um Frankreichs fünf Millionen Muslime, die zu Staatsbürgern zweiter Klasse werden sollen.

Nur noch Nebensache ist seit dem 13. November die Arbeitslosigkeit. Dabei sind es gerade die Regionen, die die Wirtschaftsförderung verantworten. Wie die aussehen soll, kann Marine Le Pen nicht wirklich beantworten. Euro-Austritt und Grenzschließung lauten ihre einfachen Rezepte - ganz ähnlich wie die der AfD in Deutschland. Abschottung also für die zweitgrößte Volkswirtschaft Europas in Zeiten der Globalisierung.

Kein Wunder, dass die Wirtschaft vor dem FN warnt. Denn wirklich regieren kann man mit dessen Programm nicht. Das wissen auch die meisten Franzosen. Es hielt gestern aber viele nicht davon ab, für die "Frontisten" zu stimmen. Es ist ein Votum der Enttäuschten und Verängstigten. Weder die zerstrittenen Sozialisten noch die ausgelaugten Konservativen scheinen die Antworten auf die Probleme des Landes zu haben. Rechtspopulisten sind immer dort auf dem Vormarsch, wo andere Parteien versagen. Das gilt in ganz Europa. Aber Frankreich ist da ein besonders trauriges Beispiel.

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