Die SPD entschärft ihren Steuererhöhungs-Wahlkampf

Berlin · Dass ihre Steuererhöhungspläne beim Wahlvolk nicht eben gut ankommen, ist auch der SPD-Führung nicht entgangen. Jetzt geben Parteichef Sigmar Gabriel und Kanzlerkandidat Peer Steinbrück den Bürgern das Signal, dass alles vielleicht gar nicht so schlimm wird – wenn es gelinge, das fehlende Geld durch Maßnahmen gegen das Steuerdumping in Europa aufzutreiben.



Urvater des verbalen Kurswechsels ist Hessens SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel. Er hatte erklärt, dass die Bürger ein Recht darauf hätten, von Steuermehreinnahmen zu profitieren - "dann können wir auch ernsthaft über Entlastungen reden." Schäfer-Gümbel startete im Landtagswahlkampf eine Unterschriftenaktion: "Steuerflucht stoppen - 800 Millionen für Hessen". Vor allem Steinbrück fand die Idee gut, er wird ständig gefragt, warum die SPD nur Steuern erhöhen wolle und nicht zum Beispiel die "kalte Progression" abmildere. "Weil dafür die Spielräume fehlen", war bisher die Antwort.

Nun soll das Thema "Kampf dem europäischen Steuerdumping" bundesweit gefahren werden. Letzte Woche wurde das bei einer Telefonkonferenz der SPD-Führung bestätigt. Es geht um eine Harmonisierung der Unternehmenssteuern in Europa. Zur Begründung, warum man das Thema erst jetzt entdecke, führte Gabriel an, dass erst vor zwei Monaten bekannt geworden sei, wie viel Geld die Unternehmen durch die unterschiedliche Gesetzgebung in Europa sparten: rund eine Billion Euro. Allein auf Deutschland entfielen dabei rund 160 Milliarden. "Wir wollen in den letzten Wahlkampfwochen genau über diese Frage reden." Denn Angela Merkel lasse diese Zustände laufen, verspreche im Wahlkampf aber gleichzeitig neue Wohltaten, ohne die Frage der Finanzierung beantworten zu können. Tatsächlich stammt die EU-Schätzung von einer Billion Euro Steuerausfällen allerdings schon aus dem Februar.

Bei der Kommunikation nach außen geriet Gabriel noch mehr durcheinander. Er verband den Kampf gegen Steuerhinterziehung und -dumping nämlich nicht nur mit der Aussicht auf Entlastungen, sondern mit dem Hinweis, dass eine SPD-geführte Regierung, falls man auf diese Weise genug Geld gewinne, "auf alle Steuererhöhungen verzichten" könne. Das wiederum rief die Parteilinke auf den Plan.

Sie pocht auf das Wahlprogramm mit der geplanten Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 49 Prozent, der Erhöhung der Erbschaftsteuer und der Wiedereinführung der Vermögensteuer. Argumentiert wird hier mit der Steuergerechtigkeit, nicht mit der Kassenlage. Gabriel mühte sich gestern, die Dinge gerade zu rücken. "Das Steuererhöhungskonzept gilt und steht am 22. September zur Wahl", sagte er. Die Anhebung des Spitzensteuersatzes werde sogar zu den ersten Maßnahmen einer rot-grünen Regierung gehören, um Geld für Bildung und Schuldenabbau zu gewinnen. Spitzenkandidat Steinbrück versuchte ebenfalls eine Klarstellung: "Wenn wir nachweislich erfolgreicher sind bei der Bekämpfung von Steuerbetrug, dann kann man darüber nachdenken, ob man Steuersätze auch wieder senkt. Aber in dieser Reihefolge bitte."

Die wenig steueraffine FDP erkannte in alldem zwar einen gewissen Fortschritt, glaubt der Konkurrenz von der SPD aber nicht. Wenn die es ehrlich meine, so der liberale Finanzfachmann Volker Wissing, dann solle sie ihre Steuererhöhungspläne noch vor der Wahl auf einen ordentlichen Parteitag zurücknehmen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort