Die smarte First Lady darf wieder sie selbst sein

Washington · Es ist ein Befreiungsschlag. Wenn morgen die Mieter im Weißen Haus wechseln, heißt das für Michelle Obama , dass sie ihre Handlungsfreiheit wiedererlangt. Auf dem Präsentierteller der Macht musste sie ständig darauf achten, nur ja keine Fehler zu machen. Jetzt kann die Absolventin der Elite-Universitäten Princeton und Harvard endlich ihre eigene Karriere in Angriff nehmen. Womöglich wird es eine politische.

Auch in den acht Jahren in der berühmten Villa war Michelle Obama nicht völlig unpolitisch. Sie kümmerte sich um vergessene Kriegsveteranen, ihr Gemüsegarten war ein Appell zur gesunden Ernährung. Dahinter steckten klare Botschaften. Aber sie betonte eben auch oft und gern, dass sie das politische Tagesgeschehen in all seinen Wendungen lieber nicht verfolgen will. Andererseits hielt sie beim Parteitag der Demokraten, der Hillary Clinton zur Kandidatin kürte, die beste Rede von allen. Würde sie dereinst für ein Wahlamt kandidieren, wäre das für viele nur logisch. "Michelle 2020" lautet der Slogan ihrer Fans, die sie beim nächsten Rennen um das Oval Office am Start sehen wollen.

Die Popularität der 53-Jährigen hat Umfragewerte erreicht, von denen amerikanische Politiker nur träumen können. Das war nicht immer so. Ein Karikaturist des "New Yorker" zeichnete sie 2008, nach einer kämpferischen Rede im Präsidentschaftswahlkampf, als Black-Panther-Rebellin mit Flinte, Patronengürtel und geballter Faust. Das veranlasste ängstliche Publicity-Experten, ihr Image so weichzuspülen, als wäre sie die biedere Hausfrau mit ausschließlich familiären Ambitionen. Im Weißen Haus begnügte sich die Juristin fürs Erste damit, die Porzellankollektion zu erweitern. Obendrein wurde sie zur Mode-Ikone.

Dass das Leben in der Machtzentrale sehr isoliert sein kann, daraus hat die First Lady nie einen Hehl gemacht. Kugelsicheres Fensterglas, Scharfschützen auf dem Dach, jede Fahrt zur Schule der Töchter könne zum mittleren Staatsakt werden, erzählte sie der Journalistin Jodi Kantor. Wegen der unvermeidlichen Autokolonne wollten Malia und Sasha schon gar nicht mehr, dass ihr Vater Elternsprechstunden besuche.

Klartext zu reden, wann immer das Protokoll es zulässt, ist ihr Markenzeichen. 2008, als manche ihren Mann zum Heilsbringer verklärten, erzählte das Arbeiterkind Michelle Geschichten aus dem realen Leben. Es sei noch nicht lange her, dass sie beide die letzte Rate ihrer Studienschulden bezahlt hätten. Im Übrigen, ergänzte sie schmunzelnd, lasse Barack überall im Haus seine Socken herumliegen. Nach Donald Trumps Wahlsieg redete sich die zweifache Mutter bei Talkshow-Königin Oprah Winfrey den Frust von der Seele. Mit dem Land, sagte sie, sei es wie mit einem Kleinkind, das hingefallen sei und nun auf die Erwachsenen schaue, um zu sehen, ob es wehgetan habe. Wenn man dann "Oh mein Gott" schreie, beginne das Kind zu weinen. Wenn man es aber tröste, bleibe es ruhig. Für die US-Nation habe ihr Mann die Rolle des Aufrichtenden gespielt, sagte die 53-Jährige. Mit Trump werde das anders sein.

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