Die Schweizer erkennen ihr Land nicht mehr wieder

Genf. Viele Eidgenossen erkennen ihr Land nicht wieder. Die dramatische Abwahl des nationalkonservativen Justizministers Christoph Blocher durch das Schweizer Parlament Ende 2007 hat die einst stabile Demokratie nicht nur gespalten - sie droht das Land zu sprengen. "Das ist nicht mehr meine Schweiz", ist ein viel gebrauchter Satz in den Leserbrief-Spalten der Zeitungen

Genf. Viele Eidgenossen erkennen ihr Land nicht wieder. Die dramatische Abwahl des nationalkonservativen Justizministers Christoph Blocher durch das Schweizer Parlament Ende 2007 hat die einst stabile Demokratie nicht nur gespalten - sie droht das Land zu sprengen. "Das ist nicht mehr meine Schweiz", ist ein viel gebrauchter Satz in den Leserbrief-Spalten der Zeitungen. Gegen Blochers Nachfolgerin Eveline Widmer-Schlumpf, die ebenfalls der Schweizerischen Volkspartei (SVP) angehört, liegen sogar Morddrohungen vor. Das berichtet die Zeitung "Sonntags Blick". Ihren vorläufigen politischen Höhepunkt erreichte die Krise am Freitag, als der SVP-Zentralvorstand den Ausschluss Widmer-Schlumpfs beschloss. Damit folgte er mit großer Mehrheit einem Antrag der Parteileitung. Im Ministeramt war Widmer-Schlumpf dem umstrittenen Unternehmer und politischen Urgestein Blocher nachgefolgt, der es im Dezember nicht erneut in die Regierung schaffte. In der Schweiz wird die siebenköpfige Regierung, der aus Vertretern aller großen Parteien bestehende Bundesrat, vom Parlament bestimmt. In einer Art Putsch hatten die Sozialdemokraten zusammen mit Grünen und Christdemokraten den Sturz Blochers geplant und ausgeführt. Voraussetzung dafür war, einen geeigneten SVP-Kandidaten für das Ministeramt zu finden - und Widmer-Schlumpf war zur Stelle.Ausgerechnet auf eine Dokumentation im sonst von der SVP als "links und parteiisch" geschmähten Schweizer Fernsehens über Blochers Abwahl stützt die Partei nun ihre Rauswurf-Forderung. Dort war nämlich herauszuhören, Widmer-Schlumpf habe von dem Putsch nicht nur gewusst, sondern sei auch aktiv daran beteiligt gewesen. Tatsächlich gibt es einige offene Fragen. Etwa die, welche Zusagen sie den "Putschisten" gab. Die Ministerin habe ihre Wahl mit den Sozialdemokraten vorbereitet, um Blocher aus dem Amt zu drängen, argumentiert die SVP. Damit habe sie ihr persönliches Interesse über die Interessen der eigenen Partei gestellt. Widmer-Schlumpf bestreitet dies jedoch vehement. Sie sei von ihrer Wahl am 12. Dezember überrascht worden, betonte die Ministerin jetzt einmal mehr. Die Wahl sei weder erschlichen noch abgesprochen worden, und zu keiner Zeit habe sie jemanden angelogen. "Wenn die Partei nun etwas anderes behauptet, ist dies haltlos", betonte sie. Nun hat die Ministerin bis zum kommenden Freitag Zeit, ihr Amt niederzulegen und aus der Partei auszutreten. Anderenfalls muss sie, so lautet der Beschluss des SVP-Gremiums, durch ihre Heimatpartei im Kanton Graubünden bis Ende April ausgeschlossen werden. Die Führung dieser Untergruppe erklärt jedoch, dies komme nicht in Frage. Damit droht der SVP eine Spaltung. Derweil setzt der geschasste Blocher, dem unter anderem Missachtung des Parlaments, undemokratisches Verhalten und Ausländerfeindlichkeit vorgeworfen wurden, seinen Rachefeldzug fort. Und er wankt nicht. In einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" meinte Blocher, wer aus dem alles dominierenden Konsens-Prinzip der Schweizer Demokratie herausrage, dem werde "der Kopf abgehauen". Wenn aber niemand herausrage, so der ultrakonservative Pfarrersohn weiter, dann komme das Land nicht vorwärts.

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