Griechenland-Hilfen Die Rettung ist beendet, die Probleme bleiben

BRÜSSEL/STRASSBURG Athen zählt die Tage. Am 20. August, so jubelt die griechische Regierung, sei man die Geldgeber nach acht Krisenjahren endlich los.

Das Land kann es nicht erwarten, endlich wieder auf eigenen finanziellen Füßen zu stehen. Doch das Bild trügt, wie Europa-Parlamentarier vor Ort erfahren konnten. Viele Maßnahmen zur Sanierung wirken erst später als erhofft.

„Griechenland hat mehr Hilfen als jedes andere Land bekommen“, sagt der CSU-Europa-Abgeordnete Markus Ferber. Eben erst ist er mit dem Wirtschafts- und Währungsausschuss aus Athen zurückgekommen. Und trotzdem gab es dort – außer Finanzminister Euklid Tsakalotos – niemanden, der den Einsatz der Geldgeber gewürdigt hat. „Wenn Hellas nun aus dem dritten Hilfspaket entlassen wird, bekommt es sogar noch ein Abschiedsgeschenk“, stellt Ferber klar. Die von den Euro-Partnern aufgehäufte Rücklage beläuft sich auf nicht weniger als 24 Milliarden Euro. „Das bedeutet Stabilität bis 2033. Niemand wurde je so abgesichert.“ „Die Bürger Griechenlands können ein neues Kapitel aufschlagen“, betonte gestern im EU-Parlament auch Eurogruppen-Chef Mario Centeno. „Im August wird es Grund zum Feiern geben.“ Wirklich?

„Die Situation vor Ort bleibt schwierig. Vieles wird noch Zeit brauchen“, stellte Währungskommissar Pierre Moscovici bei einem Besuch in Athen Anfang der Woche fest. Aber auch er beschreibt den „drängenden Wunsch des hellenischen Volkes nach Freiheit und Unabhängigkeit.“

Gegen die Reformen haben sich die Hellenen lange gesträubt. Klar: Wer mehr als 20 Prozent seines Gehaltes verloren hat und mit einem Fünftel weniger Rente leben muss, kann kein Verständnis für Reformen haben. Die Griechen wurden für das politische Versagen jener bestraft, denen sie jahrelang geglaubt und auf deren Zusagen sie ihre Existenz aufgebaut hatten. Sie selbst erhielten nie Finanz-Hilfen, auch wenn das lange von vielen suggeriert wurde. Es ging indes darum, dass Athen seine Rechnungen bei den Geldhäusern derer bezahlt, die auch die Finanzmittel zusammenkratzten. Das war nicht unanständig, ebenso wenig wie die Kopplung der Hilfen an Reformen.

Gleichzeitig ist die Wirklichkeit kompliziert – immer noch. „Bis wichtige Sozialreformen nicht nur im Parlament verabschiedet, sondern auch in der Realität praktiziert werden, dauert es zwei Jahre“, mussten die EU-Volksvertreter hören. Ferber: „Die lange Dauer der Umsetzung von neuen Gesetzen gehört zum Kernproblem des griechische Reformprozesses.“ Fazit der Visite: Die fast 450 von den Geldgebern durchgedrückten Reformen sind zwar angekommen, wirken aber noch nicht. Die „Grundlagen für ein ausgewogenes Wachstum“ seien aber geschaffen. „Seit 2016 schreibt das Land, dessen Defizit noch 2009 bei 15 Prozent der Wirtschaftsleistung lag, beständig eine schwarze Null“, sagt der Chef des ESM-Eurorettungsfonds, Klaus Regling. Zum Preis harter Strukturreformen.

Der Streit um den richtigen Kurs der Geldgeber geht auch kurz vor dem absehbaren Ende des nunmehr dritten Hilfsprogramms über insgesamt 86 Milliarden Euro weiter. Während der sozialdemokratische EU-Abgeordnete Roberto Gualtieri aus Italien gestern im Parlament von einem „Meilenstein“ und einem „Erfolg der Rettungspakete“ sprach, betonte der frühere AfD-Politiker Bernd Lucke, dies sei alles „Schönfärberei“, weil die Staatsausgaben Athens eben nicht gestiegen seien und schon gar keine Investitionen zustande kommen würden. Das belegen auch die Zahlen. Griechenlands Wirtschaft wächst seit 2017 wieder, aber deutlich schwächer als erhofft. Ein Grund dafür könnte, so sieht es auch die EZB, die immer noch zu zögerliche Umsetzung der Reformen sein. Die Lösung des Problems wird Athen nicht gefallen. Denn Griechenland bleibt unter Beobachtung des ESM – bis zum Jahre 2066.

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